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Mit Trippelschritten zum Frieden

Äthiopien hat mit dem Rückzug seiner Soldaten aus besetzten Gebieten Eritreas begonnen. Die UNO ist zufrieden: Sie kann einen Erfolg ihrer neuesten Blauhelmmission feiern und jetzt ungeniert haufenweise Hungerhilfe für Äthiopien einfordern

aus Addis Abeba PETER BÖHM

Die Aufregung hielt sich in Grenzen. „Das ist die aufregendste Phase“, fand zwar der Kommandeur der niederländischen Blauhelmsoldaten in Äthiopien, Oberstleutnant Tom van Ende, als er am Montag offiziell den Rückzug der ersten 600 äthiopischen Soldaten aus umstrittenen Bereichen der einstigen Kriegsfront gegen Eritrea meldete. Doch in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba war keine Erleichterung zu spüren.

Dabei bedeutet der Rückzug im Klartext, dass der zweieinhalbjährige Grenzkonflikt zwischen Äthiopien und Eritrea mit seinen zehntausenden Toten und hunderttausenden Vertriebenen tatsächlich vorbei ist. Am 12. Dezember hatten die beiden Länder Frieden geschlossen, sich aber anschließend nicht auf einen vorläufigen Grenzverlauf einigen können. Mitte letzter Woche meldeten schließlich die äthiopischen Regierungsmedien, Eritrea habe den UN-Rückzugsplan für die beiden Armeen von den Fronten akzeptiert. Zuvor hatten die USA beiden Ländern die Zusage der Weltbank vermittelt, ihnen Wiederaufbaukredite zu zahlen – 90 Millionen US-Dollar für Eritrea, 400 Millionen für Äthiopien.

Der Friedensvertrag bestätigte einen im Juni 2000 geschlossenen Waffenstillstand, nach dem Äthiopien aus den besetzten Teilen Eritreas abziehen sollte. Dies sollte eine UN-Mission Unmee überwachen. Da Eritrea den äthiopischen Plan für diesen Truppenrückzug nicht akzeptierte, musste die Unmee beiden Seiten einen Kompromissvorschlag unterbreiten. Der endgültige Grenzverlauf – einer der Gründe für den Ausbruch des Krieges – wird sowieso erst durch eine gemeinsame Kommission beider Länder entschieden werden. Da jedoch in dieser Kommission der Chef des Kartografischen Instituts der UNO den Vorsitz führen wird, kommt dem UN-Rückzugsplan eine entscheidende Bedeutung zu.

Aus äthiopischer Sicht läuft nun durch das eritreische Ja alles bestens. Äthiopiens Regierungszeitung Ethiopian Herald meldet, dass die einst umkämpften Gebiete Badme, Zalambessa und Bure weiter unter äthiopischer Verwaltung sein werden. Das war erwartet worden, erklärt ein westlicher Diplomat, denn schon eine OAU-Untersuchungsgruppe war zu Beginn des Konfliktes zum Ergebnis gekommen, diese Gebiete gehörten zu Äthiopien. Ein äthiopischer Versuch, die Grenze 15 Kilometer nach Eritrea hinein in Richtung der eritreischen Hafenstadt Assab zu verlegen, sei jedoch gescheitert. Und auch die äthiopischen Forderungen nach einer Rüstungsbegrenzung in Eritrea werden keine Rolle mehr spielen.

Die Einigung befreit die UNO aus einer peinlichen Situation. Eigentlich sollte Unmee das Image der UNO in Afrika wieder aufbessern. Erstmals nach dem Abzug der letzten UN-Soldaten aus Somalia 1995 nahmen in der Unmee auch wieder westliche Blauhelme an einer Afrikamission teil – Soldaten aus den Niederlanden und Kanada. Bisher jedoch haben die 3.500 von 4.200 vorgesehenen Unmee-Soldaten lediglich Lager gebaut und auf Straßen patrouilliert. Die äthiopische und die eritreische Armee standen sich derweil weiter in voller Kampfmontur gegenüber.

Dass nun der Truppenrückzug beginnt, kam auch für das UN-Welternährungsprogramm WFP günstig. Es konnte nun den Geberländern am Donnerstag letzter Woche den alljährlich von der äthiopischen Regierung vorgelegten Bedarf an ausländischer Nahrungsmittelhilfe für 2001 vorlegen, ohne wie im letzten Jahr eine Diskussion über die hohen Rüstungsausgaben Äthiopiens fürchten zu müssen. Den neuen Zahlen zufolge werden in Äthiopien dieses Jahr 6,2 Millionen Menschen – ein Zehntel der Bevölkerung – auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein.

Darin ist sich die äthiopische Regierung mit dem WFP einig. In ihrer eigenen Schätzung hat die Regierung jedoch die vom WFP als Wunsch genannten 970.000 Tonnen Getreidelieferung um die Hälfte gekappt – und behält sich zugleich eine weitere Bitte für die zweite Jahreshälfte vor. Der Grund liegt auf der Hand: Im vergangenen Dürrejahr bekam Äthiopien 1,2 Millionen Tonnen Nahrungsmittelhilfe. Für dieses Jahr erwartet die Regierung aber eine Rekordernte. Dass in einem Jahr des Überflusses der Bedarf an Hungerhilfe nur unwesentlich kleiner ist als in einem Dürrejahr – das ist für den äthiopischen Stolz zu viel.

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