: Der gläserne Hund
Der Datenschutzbeauftragte schilt wie immer die Sammelwut der Behörden und warnt vor neuen Regelungen zum Geheimdienst ■ Von Kai von Appen
Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hans-Herrmann Schrader hat gestern bei der Vorlage seines Jahresberichts erneut die Datensammelwut der Behörden angeprangert. So sei es beim Vollzug der neuen Hundeverordnung zu Gesetzesverstößen gekommen und noch immer würden in der Ausländerbehörde für Abschiebeverfahren illegal Daten über eingestellte Bagatellverfahren oder geringfügige Rechtsverstöße gehortet, die von der Polizei übermittelt worden sind. Gleichzeitig fordert Schrader, bei der Novellierung der gesetzlichen Regelungen für Geheim-dienste diese so auszugestalten, dass „die Nachrichtendienste keine polizeilichen Aufgaben und Befugnisse erhalten“.
Der aktuelle Grund für Schraders Warnung: Nach der Rüge des Bundesnachrichtendienstes (BND) durch das Bundesverfassungsgericht wegen der Aktivitäten in der Jolo-Krise, sollen die Überwachungsbefugnisse für BND und der Verfassungsschutzämter (VS) deutlich erweitert werden. So sollen VS und BND bei „extremistischen Einzeltätern“ das Anzapfen von Telefonleitungen erlaubt oder die Überwachung der internationalen Telefonkommunikation gestattet werden.
Da Verbrechensbekämpfung originäre Aufgaben von Polizei und Staatschutz seien, sei diese Ausweitung „datenschutzrechtlich nicht akzeptabel. „Der Verfassungsschutz hat keine polizeilichen Aufgaben zu übernehmen“, stellt Schrader klar, zudem sei „die gesellschaftliche Kontrolle nicht lü-ckenlos und effektiv.“ In Hamburg werden VS-Abhöraktionen von Abgeordneten im „G10“-Ausschuss der Bürgerschaft abgeseg-net, während das polizeiliche Lauschen am Telefon einer richterlichen Verfügung bedarf.
Wie schnell der Schutz persönlicher Daten flöten gehen kann, zeigt sich bei der Hundeverordnung. Damit die bezirklichen Wirtschafts- und Ordnungsämter sich bei der Überpüfung der Kampfhundehalter ein Bild machen können, haben sie – zum Teil durch staatsanwaltschaftliche Anordnungen gedeckt – „sensible Daten“ aus dem Bundeszentralregister verwendet. So auch streng geschützte Angaben aus dem Erziehungsregister. Die Bezirksämter sind nach Schraders Rüge inzwischen angewiesen, diese unzulässigen Daten aus den Akten zu entfernen.
Und auch die Sozialbehörde hat einen Rüffel kassiert. So müssen Hundehalter bei der Zuverlässigkeitsprüfung eine Einwilligung zur Preisgabe von Daten unterschreiben, die eigentlich nur freiwillig erfolgen darf: „Bei dem seelischen Druck unterschreibt ein Hundeliebhaber alles und jedes.“ Die Behörde muss nun die Formulare ändern. Schrader dazu: „Die Eile war so groß, dass sie es erstmal alles schief laufen haben lassen.“
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