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Herr auf dem Richterthron

Nicht nur im Klein-Prozess liebte Heinrich Gehrke den großen Auftritt und die prominenten Zeugen

von HEIDE PLATEN

Heinrich Gehrke würde wohl, begegnete man ihm auf der Straße, eher unauffällig wirken. Aschblond, immer leicht zerraufte Haare, die Rasur etwas stoppelig, ein rundes Gesicht mit Sorgenfalten, höflich, freundlich, hilfsbereit. Er pflegt den leicht südhessischen Zungenschlag, kommt gerne schlicht, leutselig und volkstümlich daher. Das aber täuscht.

Als Vorsitzender der 21. Großen Strafkammer des Frankfurter Landgerichts ist er ein Mann mit energischem Auftreten, bei Strafverteidigern und Staatsanwälten, je nach Sachlage, gleichermaßen gefürchtet oder beliebt. Gehrke gilt als klug, humorvoll, aber auch als eigenwillig. Scherze macht in seinem Saal am besten nur einer, und das ist er selbst. Das mussten auch schon Staranwälte lernen, die ihn, von außerhalb angereist, unterschätzten oder auf dem falschen Fuß erwischten. Legendär waren seine Zeugenvernehmungen im Prozess gegen den Frankfurter Baulöwen Jürgen Schneider. Reihenweise lud er die Spitzenmanager der Banken vor, forschte akribisch nach einer Mitschuld der Kreditinstitute an der Baupleite und fuhr dabei mit den Top-Ökonomen und deren Rechtsanwälten Schlitten, als seien sie vor seinem Richterstuhl nichts anderes als jeder andere Ladenschwengel auch. Abseitsfallen und eingebaute Revisionsgründe wittert der mit allen Wassern gewaschene Jurist meilenweit gegen den Wind.

Manchmal scheint es, dass ihn Unprofessionalität körperlich schmerzt. Er ahndet sie mit messerscharfer, spitzer Zunge. Ein Richter also, dessen Verhandlungsführung ein ästhetischer Genuss ist, einer aber auch, dessen Urteile schwer vorauszusehen sind.

Dass Heinrich Gehrke im Opec-Prozess der Eitelkeit nachgab, einem Wesenszug, für den er ebenso bekannt ist wie für Konzentration und Souveränität, nahm Beobachter nicht wunder. Gerne lädt er sich prominente Zeugen vor, sieht sie vor seinem Richtertisch entweder auf das irdische Maß zusammenschrumpfen oder freut sich über intelligente Dispute. Der Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit, der Kabarettist Matthias Beltz, schließlich Bundesaußenminister Joschka Fischer – Gehrke war in seinem Element. Im Verfahren gegen Hans-Joachim Klein und Rudolf Schindler dominierte Gehrke von Anfang an. Die Verteidigung agierte passiv. Manchmal schien es, als sei er der Einzige im Saal, der versuchte, sich in den sperrigen Angeklagten Klein einzufühlen und dessen Psyche mit Blick auf mildernde Umstände auszuloten.

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