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Ranchero-Romantik mit Freihandel und Migranten

US-Präsident Bushs erste Auslandsreise führt ihn zum mexikanischen Präsidenten Fox, der sich für illegale Wanderarbeiter einsetzen will

MEXIKO-STADT taz ■ „Wir sind beide auf einer Ranch aufgewachsen“, sagt Mexikos Präsident Vicente Fox über die „tolle Chemie“ zu seinem US-amerikanischen Amtskollegen George W. Bush. Auf Fox’ Ranch in seiner Heimatprovinz Guanajuato werden sich heute die beiden frisch gebackenen Präsidenten erstmals offiziell treffen. Dass Bushs erste Auslandsvisite als Doch-noch-Präsident ausgerechnet in das „neue Mexiko“ geht, werten Beobachter südlich der Grenze als „enorme Ehrerbietung“. Und stellen nicht ohne Genugtuung fest, dass der Wahlsieg des Selfmade-Präsidenten Fox weniger umstritten war als der des Texaners.

Die Ranchero-Chemie kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die seit jeher heißen Eisen im bilateralen Verhältnis noch immer die Tagesordnung zwischen den ungleichen Nachbarn bestimmen: die Drogenbekämpfung, die Tücken des freien Handels und illegale mexikanische Wanderarbeiter, die so genannten indocumentados. Besonders beim letzten Thema, der Verteidigung der Rechte „unserer Brüder und Schwestern im Norden“, hatte Fox seinen Landsleuten eine selbstbewusste Politik versprochen. Seinem Gast will er heute den Entwurf einer „Amnestie“ für die indocumentados unterbreiten.

Schätzungen zufolge haben rund sechs der insgesamt knapp neun Millionen MexikanerInnen in den USA keine gültige Aufenthaltserlaubnis. Bislang profitieren beide Ökonomien von der ungeschützten Billigstarbeit. Weite Teile der kalifornischen Landwirtschaft hängen von mexikanischen Saisonarbeitern ab. Ihre Transfers in die Heimat werden auf über vier Milliarden Peso (knapp eine Milliarde Mark) im Jahr geschätzt. Doch das Thema ist im seit 1994 gültigen Nordamerikanischen Freihandelsabkommen Nafta völlig ausgeklammert. Zwar hat sich das bilaterale Handelsvolumen seither verdoppelt. Die Zahl der Mexikaner, die ihr Glück im Norden versuchen, ist jedoch nicht nennenswert zurückgegangen.

Verschärft hat sich in den letzten Jahren lediglich die militärische Aufrüstung der über 3.000 Kilometer langen US-Südgrenze. Zusätzlich zu Schutzwällen, Grenzpolizei und Infrarotkameras gehen in Arizona heute auch militante US-Farmer in Eigenregie auf Migrantenjagd. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen kostete die drastische US-Abschottungspolitik seit Mitte der 90er-Jahre über 1.320 Grenzgänger das Leben.

Jenseits aller Wirtschaftsdaten habe Mexikos neue Regierung ihrem Gegenpart ein für alle Mal klarzumachen, dass „es sich um Arbeiter handelt, und nicht um Kriminelle“, sagt der Schriftsteller Carlos Fuentes. Als Fox im letzten Herbst sein Modell einer „totalen Wirtschaftsintegration“ (Nafta plus) mit offenen Grenzen „auch für Arbeitskräfte“ vorstellte, stieß er bei seinen Nafta-Partnern noch auf Ablehnung. Kürzlich legte nun auch der US-Senator Phil Gramm den Entwurf eines Abkommens nach dem Vorbild der deutschen Gastarbeiter-Regelung vor, das die Vergabe befristeter Arbeitsvisa vorsieht. Nichtregierungsorganisationen und Landarbeitergewerkschaften drängen jedoch zunächst auf die Legalisierung der indocumentados, um diesen bessere Löhne und eine Sozialversicherung zu ermöglichen.

Nicht minder konfliktbeladen wird sich der Kampf um die Abschaffung der „certification“ gestalten, dem von dem Konsumland USA alljährlich an die lateinamerikanischen Lieferländer vergebenen Führungszeugnis in Sachen Drogenbekämpfung. Fox und seinem Außenminister Jorge G. Castañeda – von US-Hardlinern wie Jesse Helms bis vor kurzem noch als „Kommunist“, „Antiamerikanist“ und „Castro-Freund“ verschrieen – geht es um die Ablösung dieses „beleidigenden Zertifikats“ (Carlos Fuentes) durch einen multilateralen Mechanismus. Washington möchte hingegen eine beschleunigte Ausweisung inhaftierter Drogenbosse, Aufklärungsflüge über Mexiko und den Diplomatenstatus für seine Antidrogenagenten. Das sei „total verständlich“, meint Castañeda diplomatisch, und „Verhandlungssache“. ANNE HUFFSCHMID

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