Vorsorgen statt prozessieren

Intrige, Attacke, Zermürbungstaktik: Mobbing am Arbeitsplatz ist juristisch schwer greifbar. Frühzeitiges Eingreifen kann helfen  ■ Von Kai von Appen

Psychische Gewalt am Arbeitsplatz – lange Zeit wurde das Phänomen verdrängt. Erst Anfang der 90er Jahre, inzwischen mit dem Begriff „Mobbing“ belegt, rückte es ins Problembewusstsein von Betriebsräten und Gewerkschaften. Über eine Million Menschen werden nach Experten-Schätzungen bundesweit gemobbt, leiden unter Attacken, Intrigen und Zermürbungstaktik von Vorgesetzten und Kollegen. Viele der Betroffenen werden krank – oder sehen als Ausweg nur noch Selbstmord, wie die Polizistinnen Stefanie Limmer und Silvia Braun aus Berlin und München.

„Besonders, wo es noch feste Hierarchien gibt, gehört Mobbing zur Alltagserscheinung“, berichtet Jens Hnyk von der Gewerkschaft ÖTV in Hamburg. So gebe es mittlerweile betriebliche Selbsthilfegruppen und sogar Mobbing-Betriebsvereinbarungen, wie in der Uniklinik Eppendorf. Selbst die Polizeikommission widmet sich dem Thema in ihren Jahresberichten, wobei in der Männerdomäne Polizei die sexuelle Belästigung von Frauen noch eine spezielle Rolle spielt.

Seitdem der Begriff „Mobbing“ existiert, verzeichnet auch die Öffentliche Rechtsauskunft immer mehr Anfragen zu diesem komplizierten Thema. Denn nicht immer ist ein Fall so offensichtlich wie der Mobbing-Skandal in der Baubehörde, der momentan das Hamburger Arbeitsgericht beschäftigt. „Gegen meinen Mandanten wurde ein regelrechter Krieg geführt“, berichtet Arbeitsrechtler Rolf Geffken. „Ich habe noch keinen Fall gehabt, wo so exemplarisch gegen einen Einzelnen vorgegangen wurde.“

Für Geffkens Mandanten Rolf Keyser begann der Ärger 1998, als zwei neue Vorgesetzte den Bereich „Informations- und Kommunikationstechnik“ übernahmen. Hinterrücks wurden Keyser Aufgaben entzogen. Obwohl nicht mehr zuständig, wurde er für Fehler verantwortlich gemacht und mit Abmahnungen überzogen. Als er daraufhin erkrankte, wurde heimlich sein Büro leergeräumt. Bei seiner Rücckehr fand sich Keyser in einem Raum fernab seiner Kollegen wieder und sollte unausführbare Arbeiten erledigen. Das Ende vom Lied: Die fristlose Kündigung wegen Arbeitsverweigerung.

Das hätte durch eine frühzeitige Intervention des Personalrats vielleicht vermieden werden können. „Das Personalvertretungsgesetz beinhaltet ein Initiativrecht bei Personalmaßnahmen“, sagt Geffken. Anders als Betriebsräte in der Privatwirtschaft, die nur in krassen Fällen die „Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer“ durchsetzen können, könnten Personalräte in der Verwaltung schon im Anfangsstadium gegen Mobber einschreiten.

„Personalräte haben die Pflicht, Beschwerden nachzugehen“, sagt auch Hnyk, „und zu prüfen, ob sich die Mobbingvorwürfe verifizieren lassen.“ Es sei immer wieder eine „große Chance, bereits im Vorfeld Lösungen zu finden“, manchmal reiche vielleicht schon eine Versetzung. „Da muss nicht gleich das große Faß aufgemacht werden.“

Denn wenn es zum Prozess kommt, ist das Kind oft schon in den Brunnen gefallen. Denn trotz erhöhter Sensibilität sind Mobbing-Komplotte meist juristisch schwer greifbar. „Natürlich gibt es die Intrige, die ist aber nicht jus-titiabel“, erläutert Arbeitsgerichtssprecher Christian Lesmeister. In den seltensten Fällen gebe es die offensichtliche „Druckkündigung“, meistens würden Gründe vorgeschoben. Und selbst wenn der Gemobbte vor Gericht gewinnt, so Lesmeister, bleibe die Frage: „Ist es sinnvoll, ob jemand in einen Betrieb zurücckehrt?“

Daher mahnen die Gewerkschaften zur Früherkennung: „Dazu gehört allerdings“, so Hnyk, „dass der Betroffene erkennt, dass er gemobbt wird, und nicht die Fehler bei sich selbst sucht.“

Mobbing-Zentrale Hamburg: Tel.: 040/793 19 627

DAG/KDA-Mobbing-Telefon: 040/2023-0209