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Betr.: Alice Schwarze

Alice, ach Alice. Wir dürfen „Alice“ zu ihr sagen, die Männer in den Kölner Kneipen täten das eh', hat sie gestern Abend erzählt. „Na, Alice“, sagten die immer, „machste wieder die Frauen verrückt?“ Und dann käme: „Hast ja recht. Aber nicht meine!“ Pointe sitzt, Publikum lacht.

Alice Schwarzer liest in Bremen, eineinhalb Stunden. Zwischendurch schaut sie mal auf die Uhr, murmelt etwas von Abkürzen, kürzt aber lieber nichts ab. Vor ihr sitzen Frauen, Frauen, Frauen, wenige Männer. Sie sitzen eng an eng, bis in die Fensternischen. Frauen mit Geschichte, mit Gedanken, mit einer Haltung. Frauen, die sicher viel zu sagen hätten. Die aber nichts sagen können, weil Schwarzer das Reden übernimmt. Erzählt, belehrt, piekst, witzelt, pariert – kurz: schmeißt den Abend. Was sollen die Frauen auch sagen. Schwarzer hat es längst vor ihnen formuliert. Immer besser. Was träfe das Girlietum genauer als Schwarzers Definition: „Girlies sind die Brutusse der Emanzipation“. Denn: „Dein Credo sei der Mann und deine Lieblingsbeschäftigung – mit Verlaub – das Ficken.“ Die Inthronisierung des Girlies sei nichts anderes als der Versuch, „die Töchter zu hindern, von ihren Müttern zu lernen.“

Wer sonst sähe in der Barbiepuppe, die als Präsidentengattin gestylt ist, genauer weibliches Dilemma verkörpert: „Präsidentin zu werden, aber dabei ganz Frau zu bleiben.“

Schwarzers Analysen sind nicht neu. Sie treffen den Punkt – fernab von akademischen Diskursen. Es geht nicht anders, die Frauen müssen zustimmen. Wollen zustimmen. Finden ihre Empfindungen und Gedanken ausgedrückt in Schwarzers Worten. Keine kann es besser.

Als die Radio-Bremen-Moderatorin – von vornherein chancenlos gegenüber der gewandten Alice Schwarzer – ihr ein paar negative Kritiken des „Großen Unterschieds“ vorhält, kontert Schwarzer mit einer Nachsicht, die etwas Brutales hat. Viel werde überschattet durch „die Projektion auf meine Person“. Vom Selbsthass der Frauen spricht sie, der sie selbst schweigen lasse bei so manchem Angriff: Wer sie schlägt, schlägt sich. Von „Anbiederung bei den Männern“ ist die Rede. Ein Totschlagsargument.

So bleibt die kurze Zeit, die Schwarzer noch lässt für Diskussion, merkwürdig leer. Ob sie nicht die Wut packe angesichts des unsolidarischen Verhaltens mancher Frauen, fragt eine. Packt sie, klar doch. Was mit der Frauenbewegung sei, will eine andere wissen. Optimistische Ratlosigkeit, nur so viel: „Wir müssen wieder irgendwie zum Machtfaktor werden.“ Und dann erzählt noch ein Mann was von freier Liebe, dann ist Schluss.

Was bleibt, ist ein Gefühl von Ratlosigkeit. Der Eindruck von einem Fels, an dem alles abprallt. Einer Gummiwand, wenngleich einer sehr unterhaltsamen, gegen die man nicht anrennen muss, weil sie einen doch nur mit Kraft zurückschleudern würde. Susanne Gieffers

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