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Freitod und Geburt in der Hansestadt

■ In zwei Dokumentarfilmen des internationalen Forums fand unser Filmkritiker die Berlinale-Bremen-Connection

Es war wieder nicht leicht für diesen armen hanseatischen Filmkritiker, auf der Berlinale Filme mit „Bremenbezug“ zu finden. Nur selten hat man solches Glück wie vor drei Jahren, als in „The Big Lebowski“ der Coen-Brothers tatsächlich in einem Dialog die guten „Pfannkuchen aus Bremen“ erwähnt wurden. Diesmal gab es ja eh schon sehr wenig deutsche Filme in den verschiedenen Programmen, wo sollte da noch unser kleines Städtchen auftauchen?

In dem Dokumentarfilm „Danach hätte es schön sein müssen“ der Filmemacherin Karin Jurschik etwa. „1974 fährt meine Mutter nach Bremen. Sie nimmt sich ein Hotelzimmer und bringt sich um.“ So lautet der erste Satz, mit dem die Regisseurin ihren Film im Katalog des „Internationalen Forums des jungen Films“ vorstellt. Und ihr Film beginnt auch mit einer Zugfahrt in den Bremer Hauptbahnhof, mit grobkörnigen Nachtbildern von der hiesigen Innenstadt und mit Blicken aus dem Fenster eines Zimmers im „Hotel zur Post“ in dem sich ihre Mutter umbrachte. Zufällig filmte Karin Jurschik gerade zur Freimarktzeit, und vom Hotelfenster aus hat man einen guten Blick über den Bahnhof hinüber auf die Lichter des Riesenrades, der Achterbahn und anderer Karussells. Aber besonders liebevoll ist dieser Kamerablick auf unsere Stadt natürlich nicht.

Nach diesen ersten paar Minuten, in denen Karin Jurschick versuchte, das zu filmen, was ihre Mutter wohl als Letztes gesehen hat, führt ihre Spurensuche sie nach Osnabrück, wo ihr inzwischen 91-jähriger Vater immer noch in der seit damals kaum veränderten Wohnung lebt. Für den Rest des Films befragt sie ihn, oft sehr aggressiv, voller Zähigkeit und alles andere als wohlwollend, nach seinen Erinnerungen an ihre Mutter und nach seinem eigenen Leben aus. Hat er sich im Dritten Reich schuldig gemacht? Hat er seine viel jüngere Ehefrau unterdrückt und so in ihr Unglück getrieben?

„Danach hätte es schön sein müssen“ ist ein Zweikampf mit filmischen Mitteln. Dabei hat eigentlich immer der(die)jenige hinter der Kamera den längeren Arm. Aber Karin Jurschick ist entweder so ehrlich oder sich selber der Wirkung ihrer Bilder so wenig bewusst, dass ihr Vater ihr zumindest ebenbürtig scheint. Der Film kommt technisch so roh und oft auch ungeschickt daher, dass er mehr als Dokument denn als Dokumentation wirkt.

Ein alter Meister der Kunst – einer, der bei jeder Einstellung genau weiß, was er uns da zeigt, ist dagegen Hartmut Bitomsky. Und weil er zufällig in Bremen geboren ist (jawohl, das muss einfach als „Bremenbezug“ reichen), steht hier nun noch etwas über seinen Dokumentarfilm „B-52“. Diese Bomber wurden 1947 als perfekte Waffe im Kampf um die nukleare Vormacht entwickelt, und Bitomskys äußerst sachlicher Film über dieses Kulturphänomen gibt einem viel mehr Einblicke in die Atmosphäre und Geisteshaltungen des Kalten Krieges als etwa der Wettbewerbsfilm „Thirteen Days“, in dem Kevin Costner die Kubakrise löst. Nicht viel mehr als US-amerikanischer Geschichtsunterricht im Stil eines kastrierten Oliver Stone.

Bei Bitomsky ist es dagegen viel bedrückender, wenn man etwa den zerknautschten Stahlmantel der Atombombe sieht, die in den 50er Jahren mit einer „B-52“ über Italien abstürzte und dabei beinahe gezündet worden wäre. Bitomsky zeigt, wie der Bomber gewartet, geflogen und schließlich wieder mit großem Aufwand verschrottet wurde. Er spricht mit ehemaligen Bomberpiloten, die Einsätze in Vietnam geflogen sind und schneidet direkt zu den vietnamesischen Zeitzeugen, die erzählen, welche schrecklichen Auswirkungen solch eine Bombardierung hatte.

Über zwei Stunden ist der Film lang, und er verästelt sich in immer mehr Erzählstränge. Bitomsky zeigt all dies mit einem ruhigen, sehr genauen Blick. Er kommentiert nichts, überlässt das Urteil dem Zuschauer. Der Film regt dazu an, auch nach den „B-52“s in den eigenen Erinnerungen zu suchen. Etwa solche an die Anfangssequenz von Stanley Kubricks „Dr. Seltsam“, in der eine „B-52“ zärtlich wie in einer Liebesszene von einem anderen Flugzeug in der Luft betankt wurde. Oder an die Flugzeugquartette in der eigenen Jugend, in denen die „B-52“ fast unschlagbar war. Der Kollege mit dieser Erinnerung meinte übrigens auch, es wäre schon etwas seltsam, wenn der für ihn beste Film des Forums ein Dokumentarfilm über fliegende Bombenfestungen sei. Und er arbeitet dazu auch noch beim hiesigen Kino 46, und dort werden beide Filme wohl im Lauf des Jahres gezeigt werden. Da haben wir den dritten „Bremenbezug“. Mission erfüllt, Schluss damit! Wilfried Hippen

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