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american pieDie Rangers verlieren das Eis unter den Füßen

Der blaurote Methusalem

To light the sacrificial right

Ein Horrorszenario zeichnet sich bei den New York Rangers ab. Vorsichtig ausgedrückt. Wenn Saddam Hussein ins Weiße Haus zöge und Muammar al-Gaddafi Außenminister würde, dann wäre das vielleicht noch zu ertragen. Aber im Ruch zu stehen, eine Kultur des Verlierens zu pflegen – damit wird in Amerika der Boden bereitet, auf dem die Apokalyptischen Reiter so gerne marodieren. Und das ganze Schlamassel spielt sich auch noch im Hot Spot des Big Business ab. Horrible!

Eine Kultur des Verlierens: Schlimmer geht’s kaum in einem Land, das Gewinnen zur Pflicht des ehrbaren Staatsbürgers erhebt und in dem sich jeder irgendwie auf dem direkten Weg nach oben befindet. Es liegt also einiges im Argen beim Eishockeyteam der Rangers. Zunächst wäre da der Methusalemfaktor zu erwähnen, mit dem in New York offenbar gerne multipliziert wird. Nur dass das gewünschte Ergebnis dabei nicht herausspringt. Keinen Zentimeter auf der Landkarte entfernt vom Madison Square Garden durften die Fußballer der New Jersey MetroStars zur Kenntnis nehmen, dass reife Sportsmänner, erwähnt sei diesbezüglich der 39-jährige Lothar Matthäus, nicht der Weisheit letzter Schluss sind.

Bereits im fünften Lebensjahrzehnt befindet sich Mark Messier mit seinen 40 Jahren. Er gewann 1994 mit New York den Stanley Cup, fünf hatte er vorher mit den Edmonton Oilers geholt. Vom damaligen Rangers-Team spielen noch Brian Leetch, Adam Graves und Torhüter Mike Richter. Vor der Saison wurde Messier nach dreijährigem Exil aus Vancouver zurück nach New York geholt, um das matte Team von Trainer Ron Low zu pushen. Die erste Saisonhälfte über klappte das recht gut, doch dann verfielen die Cracks mit der blauroten Kluft in alte Untugenden. Schon wieder sind die Playoffs in weiter Ferne, auch wenn es jetzt drei Siege gab, zuletzt am Montag mit 4:2 gegen Chicago. Platz zehn belegen sie derzeit in der Eastern Conference, bis Rang acht, der zur Teilnahme reichen würde, fehlen immer noch sechs Punkte. Viermal in Folge die Playoffs zu verpassen – das schafften die Rangers, die in ihrer 60-jährigen Geschichte nur ein einziges Mal den silbernen Pott stemmen durften, zuletzt in den Sechzigern. „Ich hätte nie gedacht, dass es für uns so schlecht laufen würde“, sagt Messier.

Am besten kurven in und um New York ausgerechnet die New Jersey Devils übers Eis, der amtierende Champion der NHL, die Stadt richtet sich am Football (Super Bowl-Finalist Giants) und Baseball (Yankees Meister, Mets Vizemeister) auf. Die Rangers sind das teuerste Team aller NHL-Mannschaften. Den Spielern werden Gehälter in Höhe von 120 Millionen Mark gezahlt, eine stolze Summe in der Liga. Trotzdem muss Coach Low seine Schützlinge antreiben. Die Abwehr kassiert massenhaft Tore. Nur Tampa Bay ermöglichte dem Gegner in der jüngeren Geschichte der NHL mehr Treffer.

Im Sturm konnte lediglich die tschechische Reihe mit Petr Nedved, Radek Dvorak und Jan Hlavac überzeugen. Doch Low kritisiert die Tschechen. Sie seien zu verspielt, schössen zu wenig, mäkelt er. Sie sollten nicht immer von Ost nach Westen spielen, sondern von Nord nach Süd. „Das ist aber unser Spiel“, sagt Nedved. „Wir versuchen zu passen und uneigennützig zu spielen.“

Glen Sather kam zu den Rangers, um sie wieder das Siegen zu lehren. Der General Manager des Klubs verfügt über hinreichend Erfahrung. Er hat die Edmonton Oilers fünfmal zum Titel geführt (zwischen 1984 und 1990). Bei den Rangers scheinen seine Kräfte zu versagen. „Wir sind alle für die Misere verantwortlich“, erklärt Sather und versichert: „Ich werde meine Leute nicht aufgeben.“ Es gebe nur ein Motto: Noch härter arbeiten. Ratlos scheint Coach Low der Situation zu begegnen. „Irgendetwas Großes müsste passieren“, hofft er. Auch Angreifer Theo Fleury bittet um Beistand: „Irgendwas sollte sich tun.“ So sprechen Verlierer, die den Glauben an sich verloren haben. Eine Todsünde im Big Apple. MARKUS VÖLKER

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