: Koyaanisqatsi in Ton
■ Der Schöpfer der „Klangtranstase“, Götz Lemberg, hat jetzt im Auftrag von Radio Bremen ein Hörstück komponiert: Die „Blaue Sinfonie“ ist 25 Minuten Klangkunst light
In Zukunft sollen im Kulturprogramm von Radio Bremen (RB) tagsüber keine „anstrengenden Klangexperimente“ mehr gesendet werden. So steht's im Konzept für den Fusionsfunk von RB und dem NDR namens NordWest-Radio, der ab September auf Sendung gehen soll. Wie viel Sendezeit da die RB-Hörspielredaktion erhält, ist zwar noch offen, doch ihre neue Produktion würde vermutlich keinen Platz mehr im Tagesprogramm finden.
Unter dem Titel „Blaue Sinfonie“ hat der Berliner Klangkünstler Götz Lemberg ein 25-minütiges Hörstück für die Bremer Hörspielredaktion eingespielt und produziert. Götz Lemberg – da war doch was? Richtig: Eben dieser Lemberg hat im Sommer 2000 die „Klangtranstase“ in der Glocke geschaffen und nach Veranstalterangaben rund 15.000 BesucherInnen – minus ein Dutzend – mit seinen Klang- und Raum-Installationen begeistert. Das nicht begeisterte Dutzend sah und hörte allzu viele Ähnlichkeiten mit Arbeiten von Rolf Julius, Olafur Eliasson und anderen KünstlerInnen.
Während Götz Lemberg mit seiner „Klangtranstase“ immerhin ein ganzes Konzerthaus in eine riesige Installation verwandelt hat, widmet sich der 1963 in Frankfurt/Main geborene Wahl-Berliner in seiner „Blauen Sinfonie“ sogar der „Entwicklungsgeschichte des menschlichen Hörens“. Die „Sinfonie“ umfasst laut RB-Mitteilung in 25 Minuten einen Zeitraum „von der Entstehung unserer Welt bis zur Zukunftsgegenwart“.
Wertes Publikum: Was stellen Sie sich darunter vor? Vielleicht einen 25-minütigen Urschrei, wie die Kollegin bk findet? Oder doch eher eine Mischung aus atmosphärisch-schillernden Klängen, die sich nach und nach mit urgewaltigen, tierischen und schließlich mit von Menschen gemachten Geräuschen belebt? Genau! Das hat sich auch Lemberg vorgestellt und seine Fantasie in eine Collage aus ungezähltem Tonmaterial umgesetzt.
Atmospheres wie einst auf Brian Enos gleichnamiger Platte stimmen in die Sinfonie ein, ab Minute 7 gewittert's oder vulkant es, die Szene bevölkert sich mit Elefanten, Kühen, Dschungelwesen und anderen Tieren, bis etwa ab Minute 17:30 eine menschliche Stimme das technische Zeitalter einläutet und die Geräusche maschineller und rhythmischer werden. Das ist sozusagen Koyaanisqatsi in Ton. Allzu vorherhörbar reitet der Komponist durch die Klangzeiten. Das ist Klangkunst light. Und für eine Reise bis in die „Zukunftsgegenwart“ eigentlich viel zu unanstrengend. ck
Ursendung „Blaue Sinfonie“ am Freitag, 23. Februar, um 23 Uhr auf Radio Bremen 2 (88,3 Mhz).
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