Doggenwanderung in Haifa

■ Die Städtische Galerie zeigt ab Samstag riesige Bilder und Raumkunst der israelischen Künstlerin Naomi Markel

Drei mal elf, das ist nicht kleinlich. Naomi Markel geht gern in die Breite, und die Städtische Galerie am Buntentorsteinweg bietet ihr dafür reichlich Platz: Platz für die Ausstellung „Genetic evolution“, genauer gesagt der „dark side of“.

Drei mal elf: 33 Quadratmeter Fläche für Dutzende von Totenschädeln. Sie grinsen, wiehern, fletschen ihre bestens erhaltenen Zähne, kullern durcheinander. Die Evolution als Totentanz? Grundlage der gewaltigen Schädelstätte sind vier Affenköpfe, gekauft auf einem Markt in Burma/Hinterindien. Naomi Markel hat sie von allen Seiten fotografiert, per Computer gedreht, vervielfacht: Ein simuliertes Golgatha.

Gegenüber der zähnefletschenden Schädel hängt ein zweites Werk in Panorama-Format: Maulkorbbewehrte dänische Doggen traben durch Wüstensand, folgen in Massen ihrem Leittier. „Kadavergehorsam“, sagt Naomi Markel, „findet man überall. Und die Maulkörbe machen ihn nur scheinbar ungefährlich.“ Schauplatz der Doggenwanderung ist der Strand von Haifa, auch er eingefangen durch ein Foto und per Computer – inklusive der Autoreifenspur – zum Wüstenmeer gemacht. Im Vordergrund sorgt Latex für Dünen und Abgründe.

Naomi Markel (45) hat Skulptur und Malerei studiert. Die Arbeit mit Latex sei ihre persönliche Technik-Synthese: „Ich will eine dritte Dimension, suche aber gleichzeitig die Fläche“ – im Fall der Hunde neun mal drei. Nicht nur durch großzügigen Latex-Einsatz gewinnen Markels Arbeiten an Plastizität, auch Überschneidungen und Ebenenwechsel verschaffen ihnen räumliche Tiefe. Zum Beispiel der amerikanischen Kuhherde, die den Betrachter apathisch anstarrt. Manche der verängstigten Augen fixieren ein Loch im Stacheldraht – viel zu klein für die massigen Kuhkörper, keine Chance auf Flucht. Das Szenario wirkt theatral, gleich könnte der (Latex-) Vorhang das Schlachtvieh gnädig verdecken.

Mit Markel ist nicht gerade eine Speerspitze der Avantgarde in Bremen eingeschlagen, ihre Breitformate fußen deutlich auf Assemblage-Techniken der 60er Jahre. Galerie-Direktor Hans-Joachim Manske hält dagegen: „Bei ihr spüre ich eine direkte emotionale Ansprache, die manchen Jüngeren abgeht.“

Naomi Markel selbst spricht immer wieder vom „feeling of Holocaust“ als einer der kreativen Triebfedern ihrer Arbeit – und schiebt sofort hinterher: „But I don't want to touch it.“ Deswegen also besteht der Schädelhaufen „nur“ aus Affenköpfen, outen sich ertrinkende Babies beim zweiten Hinsehen als Puppen. Der so erzeugte groteske Zug schafft Distanz, macht die Holocaust-Anspielungen aushaltbarer. Auch bei der „Train“-Installation: Auf 13 Waggons liegen caramellfarbene Latex-Blöcke, in denen sich Puppen winden, eingeschmolzen im dicken Kautschuk. Eine Mischung aus Kindereisenbahn und Deportationszug.

Seit 25 Jahren haben Bremen und Haifa einen gemeinsamen Kulturfonds, über dessen Projekte auf einem jährlichen Treffen entschieden wird. Birgitt Rambalski, als Protokollchefin der Senatskanzlei zuständig für Städtepartnerschaften, war im November 1999 deswegen in Haifa: „In einem Kibbuz begegneten mir die „Three Angels“ von Naomi Markel – sie haben mich sehr beeindruckt.“ Damit war die Ausstellungsidee geboren. Jetzt gehen die kreuzförmigen Gestalten mit dem Erdgeschoss der Städtischen Galerie eine stimmige Synthese ein, verschmelzen mit den unverputzten Wänden. Raphael Kerpel, Berater des Oberbürgermeisters von Haifa, ist mit der Bremer Markel-Präsentation – es ist die erste in Europa – hochzufrieden: „In eine geleckte Galerie hätten ihre Bilder nicht gepasst.“

Henning Bleyl

Eröffnung: Sa (24. Februar) 18 Uhr. Bis zum 18. März zu sehen