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Musicalstandort übt Schadensbegrenzung

■ Gestern ließ sich die SPD über das Scheitern der „Jekyll & Hyde“-Rettung aufklären. Ob die Partei dem Verkauf des Ticket Service Centers an KPS zustimmt, ist noch nicht ganz sicher

Vor zwei Jahren wurde am Richtweg mit Prominenz aus Gesellschaft und Politik die Geburt des „Musicalstandortes Bremen“ gefeiert, doch jetzt geht es nach Angaben des SPD-Landesvorsitzenden Detlev Albers vor allem um Schadensbegrenzung. Gestern ließ sich der SPD-Landesvorstand von hochrangigen SenatsvertreterInnen über das Scheitern des Sanierungskonzeptes für „Jekyll & Hyde“ aufklären, das erst Anfang Februar die letzte Rate der acht Millionen Mark Rettungshilfen aus Steuermitteln bekommen hatte. Durch mangelhaften Besuch in den vergangenen Monaten waren schon Ende 2000 elf der inklusive privater Anteile zwölf Millionen Mark Rettungshilfe verbraucht. Diese Aufklärung war eine Bedingung, damit die SPD dem geplanten Verkauf der städtischen Anteile am Ticket Service Center (TSC) an den Bremer Unternehmer Klaus-Peter Schulenberg (KPS/cts Eventim AG) und dessen Einstieg in die neue Betreibergesellschaft zustimmt. Ganz zufrieden sind die SozialdemokratInnen aber immer noch nicht.

Wie Albers gestern auf taz-Anfrage erklärte, besteht die SPD darauf, dass in der Restlaufzeit von „Jekyll & Hyde“ bis Ende Juni keine weiteren öffentlichen Mittel an das Theater fließen. Das Musical „Hair“ (ab September) und Nachfolgeproduktionen sollen mit dem Steuergeld auskommen, das sowieso schon an das Theater gezahlt wird. Abhängig von der Auslastung sind das bis zum Jahr 2018 bis zu 4,4 Millionen Mark im Jahr. Eine weitere Bedingung: Die Kosten für ein neues Stadtmarketing, das von der Bremer Touristik Zentrale (BTZ) nach dem TSC-Verkauf neu aufgebaut werden muss und nach Schätzung rund 3,6 Millionen Mark kostet, sollen nicht höher sein als der Verkaufserlös. KPS bietet aber nur knapp 1,4 Millionen Mark. Dieser Punkt und auch die Frage möglicher Subventionen für die Restlaufzeit sind heikel. Am Montag will der SPD-Fraktionsvorstand weiter beraten. Albers geht davon aus, dass das Konzept nicht mehr scheitert. Andere führende Sozialdemokraten sind sich dem Vernehmen nach nicht so sicher.

Unter Konzertveranstaltern sorgt der geplante Deal für Wirbel. Sie wollen sich buchstäblich nicht in die Karten schauen lassen. Wenn aber der Konkurrent KPS durch den Ticketvertrieb das Material für genaue Marktanalysen hat, befürchten mehrere Veranstalter hinter vorgehaltener Hand eine Verdrängungspolitik durch Schulenberg. Auch die SPD sieht das Problem. Sie hat in einer weiteren Bedingung formuliert, dass eine Monopolstellung verhindert werden soll. Nebenabreden über Exklusivrechte im Vertrieb von Bremer Veranstaltungen gibt es nach Albers Angaben jedoch nicht.

Die KPS-Lösung ist für Senatssprecher Klaus Schloesser ohne sinnvolle Alternative. Einige Argumente hätten zwar für den Mitbewerber und Hauptkonkurrenten Schulenbergs, Qivive (bis Ende Januar: Start), gesprochen. So ist das Konsortium der Deutschen Entertainment AG, der Lufthansa und dem Axel-Springer-Verlag mit seiner Software in allen großen Reisebüros vertreten. Doch am Musical hatte Qivive kein Interesse. Nach der Senatsvorlage für Dienstag machte TSC aber 40 Prozent seiner Umsätze dank „Jekyll & Hyde“ und verkaufte etwa 300.000 Karten für das Musical. Ohne Erlöse aus dem Musicaltheater schrumpft der Wert des TSC rapide. Deshalb drängt auch die Sparkasse, der 50 Prozent des TSC gehören, auf eine schnellstmögliche Entscheidung. Noch bis Ende Juni 2000 darf das TSC die Software von Qivive nutzen. Dann muss umgestellt werden. Der Sparkassenvorstand sieht zwar voraus, Kunden durch den Verkauf zu verlieren. Das neue TSC soll aber exklusiv die Karten für Schulenbergs cts Eventim vertreiben und deshalb, so hofft die Sparkasse, nicht umsatzschwächer werden. ck

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