: Im Herbst wird’s in den Alpen still
Wegen Verstoß gegen Transitabkommen schränkt Europäischer Gerichtshof Lkw-Verkehr durch Österreich ein
FREIBURG taz ■ Da der Lkw-Verkehr durch Österreich die Auflagen des Alpentransitabkommens überschritten hat, muss die Zahl der Transitfahrten dieses Jahr um 130.000 verringert werden. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Freitagnachmittag in einem Eilverfahren. Dadurch könnte der Brummi-Verkehr durch die Alpenrepublik gegen Ende des Jahres ganz zum Erliegen kommen.
Das Alpentransitabkommen von 1992 legt die Höchstzahl der Lkws, die Österreich im Jahr durchqueren dürfen, auf 1,5 Millionen Fahrten fest. Doch diese Obergrenze überschritten die Lkws bereits im Jahr 1999 um rund 15 Prozent. Laut Abkommen hätte dies zu einer massiven Kürzung der Fahrten im folgenden Jahr führen müssen. Diese aber hat der EU-Ministerrat kurzerhand auf einen Zeitraum von vier Jahren gestreckt. Daraufhin klagte Österreich beim Europäischen Gerichtshof. Eine Regelung, die Gegenstand des EU-Beitrittsvertrages war, so das österreichische Argument, könne nicht durch eine einfache Ratsverordnung ausgehebelt werden. EuGH-Präsident Rodríguez Iglesias gab Österreich Recht und setzte die Ratsverordnung wieder aus. Die überzähligen Fahrten des Jahres 2000 führen nun schon dieses Jahr zu Kürzungen. Ein endgültiges Urteil des EuGH wird für Ende nächsten Jahres erwartet.
Doch wie geht es weiter, wenn die Lkws nicht mehr rollen dürfen? Die österreichischen Grünen wollen Güter auf die Bahn verfrachten. Die Spediteure glauben jedoch, dass die Kapazitäten der Bahn nicht ausreichen. Die Verbände der europäischen Verkehrswirtschaft wollen sich am 8. März zu einer Krisensitzung in Frankfurt am Main treffen. „Wenn der Transitverkehr blockiert ist, kostet das nicht nur Arbeitsplätze bei den Speditionen, sondern auch bei Betrieben in Deutschland und Italien, die von ihren Märkten abgeschnitten werden“, sagt Karlheinz Schmidt vom deutschen Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik (BGL).
Noch aber haben die Spediteure nicht aufgegeben. Sie werfen Österreich vor, dass die Zahl der Transitfahrten dort künstlich hochgerechnet werde. Gestritten wird dabei um die Menge der „Schwarzfahrer“, die zu den offiziell registrierten Fahrten hinzuzurechnen sind. Als Schwarzfahrer gilt ein Lieferant, der behauptet, Fracht nach Österreich zu bringen, dann aber doch im Transit das Land durchquert. Die Strategie der Spediteure ist klar: Je weniger Schwarzfahrten für das Jahr 2000 unterstellt werden, desto weniger Kürzungen wird es 2001 geben.
Vermutlich wird es am Ende zu einem Kuhhandel kommen, mit dem alle Seiten leben können. Auch Österreich geht es weniger um einen kurzfristigen Erfolg als vielmehr um eine langfristige Begrenzung des Lkw-Verkehrs. Denn die bisherige Regelung läuft eigentlich im Jahr 2003 aus. Und die EU-Kommission zeigt bisher wenig Interesse an einer Verlängerung des Alpentransitabkommens.
CHRISTIAN RATH
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