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„Ein Korken auf der Flasche“

■ Der Großmarkt im Hafen verhindert städtische Entwicklung. Die Gerüchteküche brodelt um seine Ansiedlung im Überseehafen. Grüne und Ortsamt sind sich ganz sicher: Er soll da nicht hin

Heute will die Wissenschaftsdeputation den Umzug der Hochschule für Künste in den historischen Speicher 11 im Überseehafen auf den Weg bringen – nach dem Kunstort „Lichthaus“ und der Veranstaltungshalle Pier 2 ist damit der dritte Kandidat für eine urbane Entwicklung der Hafenreviere im Anmarsch (siehe Seite 23).

Ein Riesenprojekt aber weist exakt in die entgegengesetzte Richtung: Im zugeschütteten Becken des Überseehafens – just vor die Haustür der neuen Kunsthochschule im alten Speicher – soll ein norddeutsches Frischezentrum samt Großmarkt angesiedelt werden. „Der wird wie ein Korken im Flaschenhals einer städtischen Entwicklung der Wasserkante stecken“. So formuliert es Ortsamtsleiter Hans-Peter Mester – zuständig für den Bremer Westen und damit für die dortigen Hafenbrachen. Er ist auch beinahe der einzige, der über diesen Korken offen sprechen will.

Darunter findet Flaschengärung statt: Zwar ist die Entscheidung für die Umsiedlung des Großmarktes vom Flughafen in das alte Hafengebiet in den politischen Gremien längst entschieden – seit dem Fiasko des Cash&Carry-Marktes, den Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) vor kurzem als weiteren Bestandteil des Frischezentrums mit einem Zuschuss von 37 Millionen dort hinkaufen wollte, dann aber am Widerstand von SPD und CDU daran scheiterte, keimen wieder Diskussionen auf.

Zum Beispiel bei der CDU. Deren Landesvorsitzender Bernd Neumann verkündete vor wenigen Tagen, man könne sich mit der Umsiedlung ruhig noch ein bisschen Zeit lassen. In der Tat haben Partei- und Fraktionsspitze der CDU auf einer Klausur über die bevorstehende Umsiedlung noch einmal „nachgedacht“ – so der Fraktionsvorsitzende Jens Eckhoff. Dann aber sei man angesichts der Kosten, die ein Baustopp im Überseehafen verursachen würde, schnell wieder auf Distanz zu den alternativen Planungen gegangen. Rund 15 Millionen seien bislang dort investiert worden – die Zuschüttung nicht gerechnet. Eine Alternative wäre zum Beispiel die Verlagerung des Marktes in die Hemelinger Marsch, die auch von den Händlern ursprünglich favorisiert worden war. „Aber es gibt im Gewerbegebiet der Hemelinger Marsch keine erschlossenen Grundstücke, die groß genug für den Markt wären“ – weiß Eckhoff. Neue Flächen zu erschließen dauere zu lange. Durch die geplante Autobahn A 281, die auf Stelzen über das Gelände des jetzigen Großmarktes am Flughafen führen soll, entsteht Zeitdruck. Immerhin: auch aus der Verwaltung hört man, es habe in der letzten Zeit „jede Menge Prüfaufträge“ bezüglich des Großmarkt-Standortes gegeben. Und zwar von allen Fraktionen der Bürgerschaft.

Für den wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU, Dieter Focke, gibt es dagegen keinerlei Diskussionsbedarf: „Die Entscheidungen sind gefallen, es sind ja sogar schon Planaufträge für die Hochbauten dort vergeben.“ Auch mit diesem Problem hat sich die Fraktionsspitze offensichtlich schon beschäftigt: „Es scheint gegen EU-Recht zu verstoßen, Bauaufträge von einem Standort auf den nächsten zu übertragen“, so Eckhoff. Dieter Fockes einziges Zugeständnis: Er kann sich einen Großmarkt ohne Cash&Carry-Zentrum vorstellen.

Offiziell will auch die SPD nichts von erneuten Debatten über den Hafenstandort hören. „Die Planungen sind so weit fortgeschritten, dass wir da nicht umdenken“, sagt der Pressesprecher SPD-Fraktion Werner Alfke. In vertraulichen Kreise gärt es aber auch bei der SPD. Die meisten Fraktionsmitglieder würden „lieber heute als morgen“ die Ansiedlung stoppen – so sagt ein Fraktionsmitglied, das seinen Namen dazu nicht in der Zeitung lesen will.

Nur die oppositionellen Grünen brauchen in dieser Frage keine Blatt vor den Mund zu nehmen. „Wir wollen den Großmarkt dort nicht haben“, sagt der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Hermann Kuhn, der heute in der Wissenschaftsdeputation die Kunsthochschulplanungen absegnen wird. Seine Fraktionschefin Karoline Linnert pflichtet ihm bei: „Es wäre ein einziger Segen für Bremen, wenn der Senat das neu bewerten würde.“ Seit Jahren wünschen sich die Grünen eine Entwicklung in den Hafenrevieren, die die Waterfront als Wohn- und Dienstleistungszone innerstädtisch entwickelt. Was zunächst an den Borniertheiten des ehemaligen Hafensenators Uwe Beckmeyer (SPD) scheiterte, droht jetzt durch die Wirtschaftspolitik der CDU zu versanden.

Aber auch in Sachen Großmarkt selbst haben die Grünen Bauchschmerzen. Immerhin würden alle Fachleute davor warnen, jetzt noch in die „alten“ Großmarktmodelle zu investieren. „Die neuen Medien verändern den Handel auf dieser Ebene in den nächsten zehn Jahren ganz erheblich“, sagt sie. „Wäre es da nicht klüger, noch ein wenig abzuwarten?“

Nicht mehr lange warten wird dagegen der Waller Beirat, der sich auf seiner nächsten Sitzung am 8. März mit den Großmarkt-Planungen beschäftigen wird. „Der Beirat wird das mehrheitlich ablehnen“, vemutet Mesters. Die verkehrlichen Planungen sowieso, aber auch die Grundsatzentscheidung für den markt am Hafen. „Das saugt nur Verkehre durch die Stadt.“

Die Gerüchteküche schnuppert er daher mit Vergnügen. Und wenn dann am Ende die ein oder andere Flasche entkorkt wird – um so besser aus seiner Sicht. hey

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