: Kein Herz für die Konjunktur
Die Europäische Zentralbank senkte Zinsen gestern nicht. Sie sieht die europäische Wirtschaft nicht in Gefahr. Für Deutschland hat das Statistische Bundesamt gestern das Wachstum nach unten korrigiert
von KATHARINA KOUFEN
Die Zinsen in der Eurozone bleiben vorerst unverändert. Der für die Kreditvergabe wichtigste Leitzins liege weiterhin bei 4,75 Prozent, gab die Europäsiche Zentralbank (EZB) gestern nach ihrer Ratssitzung in Frankfurt bekannt. Seit Oktober 2000 liegt das Zinsniveau bereits auf dieser Höhe. Zuvor hatte die Notenbank die Zinsen von November 1999 bis Oktober 2000 in sieben Schritten um insgesamt 2,25 Prozentpunkte erhöht. Damit wollte sie die Inflationsgefahren begrenzen, die vor allem von steigenden Ölpreisen und einem schwächeren Euro im vergangenen Jahr resultierten. Gestern stieg der Kurs des Euro nach Bekanntgabe des EZB-Beschlusses leicht.
Weil die USA und Japan ihre Zinsen in diesem Jahr bereits mehrfach gesenkt haben, erwarten die Experten aber auch in Europa über kurz oder lang sinkende Zinsen. Die im Januar gesunkene Inflationsrate und das niedrigere Geldmengenwachstum würden eine Zinssenkung möglicherweise noch in diesem Monat rechtfertigen, hieß es gestern aus Börsenkreisen. Aber die EZB werde noch ein bis zwei Monate warten, bis sich die rückläufigen Trends bestätigten.
Die Jahresteuerung in der Eurozone war zwar im Januar auf 2,4 Prozent nach 2,6 Prozent gefallen. Damit liegt die Inflation jedoch weiter über der Marke von 2 Prozent, bis zu der nach der strengen Definition der EZB mittelfristig Preisstabilität gewährleistet ist. Daher könne noch nicht von einem entspannten Preisklima gesprochen werden, meinen Experten. Allerdings hat das Wachstum der Geldmenge M3, also Bargeld, Spar- und Giroeinlagen, in der Eurozone im Januar mit 4,7 Prozent nach 5,2 Prozent im Vormonat den niedrigsten Stand seit zwei Jahren erreicht. Das Geldmengenwachstum ist neben der Preissteigerung die zweite Größe, an der die EZB ihre Geldpolitik orientiert.
EZB-Chef Wim Duisenberg trat gestern optimistisch vor die Presse. Zur Begründung der Ratsentscheidung sagte er, es bestünden gute Aussichten, „dass das Wirtschaftswachstum robust bleiben wird“. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass die aktuelle Schwäche der US-Wirtschaft anhaltend negative Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung in Euroland haben werde. Ohnehin hänge die Ökonomie im Euroraum maßgeblich von heimischen Faktoren ab, so Duisenberg. Anderer Meinung sind anscheinend die Volkswirte des Statistischen Bundesamtes: Sie korrigierten den jährlichen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2000 auf 1,9 Prozent herunter. Zuvor waren sie von 2,5 Prozent ausgegangen.
In den USA hat der Chef der dortigen Zentralbank, Alan Greenspan, ebenfalls Hoffungen auf Ad-hoc-Zinssenkungen zunichte gemacht. Allerdings deutete der Finanzguru an, dass die wirtschaftliche Lage des Landes weitere Zinssenkungen in absehbarer Zeit rechtfertigen würde. „Die Wirtschaft hat ihre Talsohle noch nicht erreicht“, sagte Greenspan in einer Rede am Mittwochabend hiesiger Zeit.
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