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Halle wird Grenzland

Taxifahrer in Halle bekommt Strafverfahren wegen Beförderung illegaler Ausländer

von MARINA MAI

Bundesgrenzschutz (BGS) und die Landespolizei in Sachsen-Anhalt fordern jetzt auch Hallenser Taxifahrer auf, keine „offensichtlich illegal eingereisten Personen“ zu befördern. In Halle, mehr als 200 Kilometer von der deutschen Ostgrenze entfernt, sollen die Chauffeure sich nicht „von gut organisierten Schleuserbanden“ für ihre „skrupellosen Geschäfte“ mit der Not von Menschen ausnutzen lassen, heißt es in einem Informationsblatt, das an Hallenser Taxifahrer verteilt wurde.

Dort kann man auch lesen, woran Taxifahrer, die nicht zur Passkontrolle berechtigt sind, unerlaubt eingereiste Menschen erkennen sollen: Die bevorzugten weit entfernte Reiseziele, sprächen kaum deutsch, reisten ohne Gepäck und würden ihr Fahrziel auf einem Zettel zeigen.

Anlass des Infoblattes ist das erste Ermittlungsverfahren gegen einen Hallenser Taxifahrer. Günter Peschke war im letztenNovember gebeten worden, vier Makedonier nach Köln zu fahren. Auf dem Rückweg wollte er einen der Männer noch bis Frankfurt/Main mitnehmen. In der Nähe der Landesgrenze von Nordrhein-Westfalen zu Hessen geriet das Taxi in eine BGS-Kontrolle. Dabei stellte sich heraus, dass der Makedonier illegal nach Deutschland gekommen war. Die BGSler nahmen ihn mit.

Gegen Peschke ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft in Halle wegen „Einschleusung“ von Ausländern. Unter „Einschleusung“ versteht das Gesetz auch die „Beihilfe“ zum Aufenthalt illegal eingereister Ausländer. Der Hallenser Fall ist der erste bekannt gewordene, der sich weit von der Ostgrenze entfernt abspielte.

Peschke erklärt: „Damit die Kollegen nicht in eine Situation geraten wie ich, hat die Taxigenossenschaft vorgeschlagen, in Zukunft bei Verdacht die Polizei einzuschalten.“ Wer einen Ausländer im Wagen hat, der ihm verdächtig vorkommt, sagt jetzt über Funk das Codewort „400 Kilometer“. Peschke: „Dann verständigen die Kollegen am Funk die Polizei und unser Wagen wird kontrolliert.“ Weil die Kollegen unsicher seien, hätte der BGS das Infoblatt verteilt. Für den innenpolitischen Sprecher der regierenden SPD-Fraktion im Magdeburger Landtag, Bernward Rothe, ist das Infoblatt „berechtigt“. Laut Polizeistatistik hätte die Schleuserkriminalität in Halle besorgniserregend zugenommen. Matthias Gärtner, innenpolitischer Sprecher der tolerierenden PDS, will das Thema jedoch in den Landtag einbringen. „Es muss ausgeschlossen werden, dass Taxi- und Busfahrer aus einer Notsituation heraus ausländisch aussehenden Menschen die Beförderung verweigern und zu Vollzugshelfern der Staatsmacht werden.“ Wegen ähnlicher Vorkommnisse haben in den 90er-Jahren vier Zittauer Taxifahrer Haftstrafen abgesessen. Gerichte in Brandenburg, Sachsen und Bayern verhängten in zahlreichen anderen Fällen Bewährungs- und Geldstrafen.

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