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Oberst Gaddafi, König von Afrika

Zum zweiten Mal hat Libyens Revolutionsführer einen afrikanischen Sondergipfel in seinem Land einberufen, um die Gründung der von ihm gewünschten „Vereinigten Staaten von Afrika“ zu forcieren. Die afrikanischen Gäste lassen sich das teuer bezahlen

aus Sirte JULIA GERLACH

„Vereinigte Staaten von Afrika“ – das hört sich an wie die größenwahnsinnige Idee eines Spinners. Natürlich wäre es schön: Ein Afrika ohne Grenzen, das gemeinsame Lösungen findet für Kriege, für Flut und Dürre und für Aids.

„Vereinigte Staaten von Afrika“ – das ist eine Idee des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi. Sie passt irgendwie zu ihm, wie auch seine Geburtsstadt Sirte. Hierher in die Wüste hat er in den letzten zwei Tagen Afrikas Staatschefs zu einem Sondergipfel eingeladen. Sirtes gigantischer Marmor-, Stahl- und Glaspalast ist mit Airbrushporträts des Gastgebers behängt, gut 30 Staatschefs werden gut bewacht von Gaddafis „grünen Tigern“ – Wachleuten in T-Shirts, die mit glitzernden Plastiktigern bedruckt sind. „Die Union ist wie die Bibel oder der Koran: Ihr müsst ihr gehorchen“, steht in riesigen Lettern auf einem der zahlreichen Transparente an der Hauptstraße.

„Sirte zwei“ heißt der Gipfel. „Wir sind hier zusammengekommen, liebe Brüder, um unserer Entscheidung vom 9. 9. 1999 Rechnung zu tragen“, erinnert Oberst Gaddafi in seiner Eröffnungsansprache. Am 9. 9. 99 hatte er seine afrikanischen Amtskollegen schon einmal in die libysche Wüste gebeten und zum ersten Mal die „Vereinigten Staaten von Afrika“ ausgerufen. Die Gäste hatten sich einstimmig angeschlossen und auf dem Gipfel der „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU) in Togo im Juli 2000 einen Gründungsvertrag geschrieben, der allerdings auf Druck von Gegnern Libyens abgemildert wurde.

Viele Fragen waren ungeklärt geblieben. Wer wird den Ton angeben? Bekommen die kleinen Staaten ebenso viele Stimmen im panafrikanischen Parlament wie die bevölkerungsreichen? Wer soll das bezahlen? Manche Länder, wie die Mitglieder der Handelsgemeinschaft des östlichen und südlichen Afrika „Comesa“, die bereits einen gemeinsamen Markt vereinbart haben, sahen ihr Projekt gefährdet.

So gingen die Ratifizierungen des Gründungsvertrages nur sehr langsam bei der OAU in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba ein. Für das In-Kraft-Treten der Union müssen zwei Drittel der 54 OAU-Mitglieder den Vertrag ratifizieren. Die Vereinigten Staaten von Afrika schienen schon an dieser ersten Hürde zu scheitern.

Oberst Gaddafi aber gab nicht klein bei, rief „Sirte zwei“ ein und scheute weder Kosten noch Mühen. 1,2 Millionen Dollar soll er Anfang der Woche an die OAU gezahlt haben, um Beitragsschulden von zwölf Mitgliedstaaten zu begleichen. „Unsere afrikanischen Brüder haben so viel für uns getan“, erklärt Khaled Zintouti, in Libyens Regierung für Investitionen zuständig. „Sie unterstützen uns beim unserem Kampf gegen die Sanktionen, da ist es normal, dass wir uns für die Einheit engagieren.“

Libyen ist es gelungen, mehr Präsidenten als erwartet nach Sirte zu bringen. Bleibt die Frage der Ratifizierung. 36 ist die magische Zahl. Wird sie erreicht, tritt die Afrikanische Union innerhalb eines Monats in Kraft. 22 waren es vor Gipfelbeginn erst. „Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Zahl zusammenkommt“, sagt Rodolphe Adada, Außenminister von Kongo-Brazzaville. „Wenn wir die Zahl bis Ende des Gipfels nicht erreichen, haben wir zwei Alternativen: Entweder wir warten, oder wir machen es wie ihr Europäer mit dem Euro: Ein Afrika der zwei Geschwindigkeiten“, sagt der Sudanese Ibrahim Al-Dakoush, früherer OAU-Sprecher.

In seiner Eröffnungsansprache macht Gaddafi seinen Standpunkt klar. „Wir sind anders als die Europäer“, sagt er. „Wir haben uns einstimmig für die Union entschlossen, dann sollten wir sie auch gleichzeitig beginnen. Wir müssen Schluss machen mit diesen altmodischen bürokratischen Verfahren.“

Jedesmal wenn der Sprecher der OAU die Halle vor dem Sitzungssaal durchquert, stellen ihm die Journalisten die gleiche Frage: „Wie viele haben ratifiziert?“ Gestern früh steht die Zahl bei 31. Da es wohl nicht mehr werden, stellen sich daraufhin die Staatschef im Sitzungssaal hin, applaudieren sich selber und verkünden die Gründung der „Afrikanischen Union“ durch „den politischen Willen der Gipfelteilnehmer“. Was das heißt, bleibt offen.

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