: Die PDS scheut das Abenteuer
Trotz CDU-Affäre: Auf ihrem Landesparteitag sprechen sich die demokratischen Sozialisten für eine Zusammenarbeit mit der SPD aus – aber nur, wenn sie langfristig und gründlich vorbereitet ist
von UWE RADA
Darf er? Oder darf er nicht? Als Harald Wolf zum Mikrofon schreitet, bittet die Parteitagsregie um Zustimmung zu einer Ausnahme. Statt der festgelegten fünf Minuten soll der PDS-Fraktionsvorsitzende zehn Minuten reden dürfen. Bei der folgenden Abstimmung findet nur der Marzahner Abgeordnete Wolfgang Brauer, dem traditionalistischen Flügel der PDS zugehörig, zehn Minuten Harald Wolf offenbar zu viel. Harald Wolf darf also.
Die 160 Delegierten im Konferenzsaal des Hotels Amon auf dem Gelände des Sportforums in Hohenschönhausen sind sichtlich zufrieden. „Zum ersten Mal“, ruft Wolf den Delegierten zu, „haben wir eine Koalitionskrise mit ungewissem Ausgang.“ Wenn der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen den „gegenwärtigen Kurs des Vertuschens“ beibehalte, werde es „verdammt eng“ werden für das Bündnis aus CDU und SPD. Als Zeugen für diese Einschätzung benennt Wolf insbesondere den SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit. „Wowereit hat sich für SPD-Verhältnisse ziemlich weit aus dem Fenster gehängt.“ Das Lob für seinen SPD-Kollegen war zugleich eine Absage an das Gesprächsangebot der Bündnisgrünen. Die hatten auf ihrem Parteitag eine Woche zuvor SPD und PDS Gespräche über die Bildung einer neuen Landesregierung angeboten. „Mit Schlagzeilen alleine lässt sich die Große Koalition nicht beendigen“, sagt Wolf. Damit rufe man nur umso heftigere Treuebekundungen der SPD gegenüber der CDU hervor. „Auf diese Politik“, so Wolf, „habe ich keine Lust.“ Überwältigender Beifall war dem Fraktionsvorsitzenden sicher.
Dabei war die Politik, auf die Harald Wolf Lust hat, in der PDS lange Zeit nicht unumstritten. Noch vor dem Beginn der CDU-Spendenaffäre hatte Wolf zusammen mit seiner Kollegin im Fraktionsvorsitz, Carola Freundl, ein Papier mit dem programmatischen Titel „Vor der Kür kommt die Pflicht“ vorgelegt. Eine rot-rote Regierung, so Wolf und Freundl, werde nur dann Erfolg haben, wenn es beiden Parteien gelinge, sich auf drei oder vier zentrale Reformvorhaben zu verständigen. Nur so könne man einen entsprechenden Rückhalt in der Bevölkerung für einen Politikwechsel bekommen. Und nur so könne man Konflikte in der Koalition erfolgreich bestehen.
Darf die PDS nun wollen? Oder darf sie nicht? Neben Harald Wolf warnte auch die PDS-Landesvorsitzende vor politischem „Abenteurertum“. „Wenn ein wenig vorbereitetes Kooperationsmodell scheitert, dann hätten wir auf Jahre hinaus eine CDU-Alleinregierung“, riet Petra Pau zu politischer Geduld. „Und das wäre genau das Gegenteil von dem, was angesagt und gewollt ist.“ Statt auf „Abenteurertum“ setzt die PDS deshalb darauf, den Druck auf die CDU weiter zu verstärken. Laut der Resolution, die der Parteitag am Ende verabschiedete, geht es darum, „das System Landowsky zu beenden, jene Mentalität, die Berlin quasi als private Macht- und Reichtumsquelle betrachtet, deren man sich nach Gutdünken bedienen kann“. Sowohl Wolf als auch Pau erneuerten ihre Forderung nach personellen Konsequenzen bei der CDU.
Die Resolution, in der die PDS ihre grundsätzliche Bereitschaft für eine Zusammenarbeit mit der SPD bekundete, fand allerdings nicht die ungeteilte Zustimmung der Delegierten. „Ist denn ein Finanzsenator Wowereit eine Alternative zum Finanzsenator Kurth?“, fragte der Abgeordnete Michail Nelken. Nelken erinnerte auch an das „Duo infernale der SPD“, Stadtentwicklungssenator Peter Strieder und Schulsenator Klaus Böger, „die für alles andere als eine soziale Stadtentwicklung stehen“. Regierungsbeteiligung, so Nelken, „ist alleine noch kein politisches Ziel.“
Das weiß auch Harald Wolf. Und er weiß auch, dass eine mögliche Regierungsbeteiligung die PDS vor ähnliche Probleme stellen würde wie die Bündnisgrünen in der Bundesregierung. Am Ende seiner Rede forderte er deshalb die Partei auf, die Fraktion im Falle einer rot-roten Koalition zu untersützen. „Bei einer Regierungsbeteiligung wird die Fraktion extremen Sachzwängen ausgesetzt sein.“ Gebraucht werde deshalb „eine Partei, die in der Lage ist, eigenständige Kampagnen zu führen, die über diese Fraktionszwänge hinausgehen“.
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