piwik no script img

Die Widerständige ist tot

Die Mitbegründerin der Bündnisgrünen, Undine von Blottnitz, lebte für den Aufruhr im Wendland

von JÜRGEN VOGES

Nach langer schwerer Krankheit ist am Samstag die Atomkraftgegnerin und Grünen-Politikerin Undine von Blottnitz gestorben. Die Mitbegründerin der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg und auch der Grünen erlag im Alter von 64 Jahren in einem Dannenberger Krankenhaus dem Krebsleiden, mit dem sie seit langen kämpfte.

Seit der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht im Jahre 1977 Gorleben als Standort des „nationalen Entsorgungszentrums“ für Atommüll benannte, war die couragierte „Undine“ mit ihrer schnodderigen Berliner Art eine der bekanntesten Frauen aus dem Widerstand gegen die wendländischen Atomanlagen. Zeitweise war sie auch Vorsitzende der Bürgerinitiative. Schon 1979 beteiligte sich das Ehepaar Blottnitz an einer Treckerblockade eines Depots von Bohrfahrzeugen. Beide wurden danach wegen Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilt.

Undine von Blottnitz gründete nicht nur die grüne Bundespartei und ihre heimische Bürgerinitiative mit, sondern auch die wendländische Bäuerlichen Notgemeinschaft, deren Kasse sie viele Jahre führte. Wenn die Polizei, wie leider bei jedem der bislang drei Castor-Transporte nach Gorleben, die Reifen der Traktoren der protestierenden Bauern zerstört hatte, war es an der Kassenfrau, für einen finanziellen Ausgleich aus Spenden oder Umlagen für die Schäden an den Reifen zu sorgen.

Undine von Blottnitz gehörte zweimal, von 1984 bis 1989 und von 1994 bis 1999, dem Europaparlament als Grünen-Abgeordnete und zwischenzeitlich auch dem Bundesvorstand ihrer Partei an. Die heutige Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag, Rebecca Harms, sammelte als ihre Mitarbeiterin die ersten Erfahrungen mit grüner Parteipolitik. Auch im Europäischen Parlament befasste sich Undine von Blottnitz vor allem mit Anti-Atomkraft-Themen. Auch für die Europaabgeordnete stand der Widerstand im heimischen Wendland stets an erster Stelle. Als die bäuerliche Notgemeinschaft 1997 beim letzten Castor-Transport eine der beiden möglichen Strecken nach Gorleben durch eine Blockade ineinander verkeilter Traktoren bei Splietau dicht machte, war auch die Europaabgeordnete von Blottnitz dabei. Im Schutz der Blockade wurde auch die Straße unterhöhlt. Undine konnte man zusammen mit den anderen Bauern nebenan Glühwein oder Tee trinkend erleben. Gut gelaunt rechnete sie schon vorab zusammen, was es wieder kosten würde, wenn die Polizei die Treckerreifen demolieren werde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen