piwik no script img

„Sexualität und Würde sind schwer vereinbar“

Das Problem ist, zu bestimmen, was an Pornografie frauenverachtend ist, meint die Berliner Filmwissenschaftlerin Gertrud Koch

taz: Die Debatte über Frauen und Pornografie war lange von Alice Schwarzers PorNo-Kampagne geprägt. Ist PorNo passé?

Gertrud Koch: Das Verhältnis der Frauenbewegung zu Pornos hat sich etwas entspannt. Es geht doch um Phantasien. Die Rhetorik der Pornografie ist nicht, wie Alice Schwarzer sie darstellt: Du sollst so sein wie das, was du siehst. Solche Bilder haben zwar einen Handlungsaspekt, aber sie fordern doch nicht automatisch zur Nachahmung auf. Deshalb sehe ich nicht, dass die weibliche Würde verletzt ist. Darüber hinaus ist die Sexualitätstheorie Schwarzers hoch problematisch: Sie setzte schon die bloße Penetration mit Gewalt gleich. Das ist schwer nachzuvollziehen.

Dennoch hat Justizministerin Herta Däubler-Gmelin angekündigt, dass sie „frauenverachtende Pornografie“ verbieten will.

Das Problem ist, zu bestimmen, was das Frauenverachtende an der Pornografie ist. Gewalt- und Kinderpornografie sind ohnehin verboten. Die Gesetze sind ausreichend. In welchen Fällen und aus welchen Gründen Frauen sich ihrer Würde beraubt sehen, können wir im Moment nicht definieren. Ich werde skeptisch, wenn unklare Definitionen plötzlich verrechtlicht werden sollen. Vielleicht lässt sich Sexualität mit einem klassischen Begriff von Würde überhaupt schwer vereinbaren.

Viele Frauen stört aber wohl, dass der weibliche Körper in Pornos immer bereitwillig zur Verfügung zu stehen scheint.

Aber gibt es die Projektion von dem Bild auf die reale Frau überhaupt? Und wenn – ist das so skandalös? Auch Nacktheit ist eine Form der Inszenierung, keine gewalttätige Entblößung. Und: Gibt es nicht auch viele Frauen, die diese Bilder mögen, und Männer, die sie ablehnen?

Wie erklären Sie sich denn, dass die meisten Frauen Pornobilder von Frauen ablehnen?

Natürlich gibt es ein Ungleichgewicht. Aber wenn ich an der Beseitigung dieses Ungleichgewichts interessiert wäre, müsste ich sagen: Männer dürfen keine andere Sexualität haben als Frauen, und deshalb dürfen sie diese Bilder nicht sehen. Daran hätte ich kein Interesse.

In den Sexploitation-Filmen der 70er-Jahre wurden starke Frauen im Softporno-Kontext inszeniert, während Hollywood auf weibliche Hilflosigkeit setzte. Wie erklären Sie sich das?

Die Vorstellung, dass männliche Macht auf Schwäche der Frauen basiert, stimmt in Phantasien oft nicht. Frauen sind immer stark, wenn sie sexuelles Begehren äußern. Und das ist ein klassisches Pornothema: Da in der Pornografie die Frauen immer etwas wollen, sind sie dort eigentlich in einer starken Position.

Frauen mögen Pornos, die narrativ sind und nicht auf Technik reduziert, so die Kulturwissenschaftlerin Corinna Rückert. Gibt es einen Unterschied zwischen Pornos von Frauen und von Männern?

Ein guter Porno zeichnet sich dadurch aus, dass er auf besonders vielfältige Weise sexuelle Erregung produziert. Womit man sich identifiziert, ist nicht festgelegt. Wollen Frauen unbedingt Männer sehen? Und Männer unbedingt Frauen? Es gibt eine narzisstische Besetzung – etwa des Penis durch den Mann. Das heißt, dass es Männer erregt, Penisse zu sehen. Frauen identifizieren sich vielleicht mit der erregten Frau im Film. Die Zeichen für die Erregung der Frau allerdings sind in Pornos oft so merkwürdig, dass die Identifikation der Frau mit der Lust der Frau im Bild erschwert wird.

Also wäre es kein emanzipatorischer Gewinn, wenn mehr Frauen Pornos drehten?

Es ist sicher interessant, wenn mehr Frauen Pornos drehen. Vielleicht gibt es dann noch einmal andere Bilder. Aber die Pornografie hat die Männer nicht befreit. Warum sie die Frauen befreien soll, ist mir auch nicht klar. Das Problem heute scheint mir weniger die Unterdrückung der Sexualität zu sein als eher eine schon wieder als Unlust empfundene Lustlosigkeit, wie sie etwa Michel Houellebecq beschreibt.

INTERVIEW: CRISTINA NORD UND HEIDE OESTREICH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen