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Auf der Spermaparty

von JENNI ZYLKA

Als Pornos bezeichnet man unter anderem Videos, die entweder zu kaufen, über das Internet zu bestellen oder in der Videothek zu finden sind. Sie heißen „Spermaparty“, „Pervers hoch 3“ oder „Das Beste aus Freche Fick-Fotzen“. Aber ich werde mir die Spermaparty wohl nicht ausleihen, auch die anderen interessanten Titel nicht. Denn ich habe keine Lust, die drei Jungmänner kennen zu lernen, die mich in der „Ab 18“-Ecke süffisant anfrotzeln. Würde ich mir einen Film leihen, dann vermittelte ich ihnen, dass ich eine sexuell starke bzw. selbstbewusste Frau bin, und damit „hypersexuell“ und amoralisches Freiwild. Man darf mich jederzeit anmachen.

Natürlich könnte man diese problematische Verfügbarkeit durch Strukturen wie mehr Nur-Frauen-Pornoläden aufweichen. Die (auch von Frauen) seit Jahrzehnten eingehämmerte Vorstellung von meinem gefälligst passiven Part in der Sexualität allerdings noch lange nicht.

Bleiben wir aber auf der „Spermaparty“. Laut einer intensiven Befragung meines weiblichen Bekanntenkreises gibt es mehr zu kritisieren: Da die Konsumenten meist männlich sind, ist es natürlich deren sexuelle Phantasie, die bebildert wird. Frauen ringen der minutenlangen Aufnahme eines Frauenkopfes bei der Fellatio und/oder dem lang zelebrierten „Cum Shot“ eben oft keinen Lustgewinn ab. Und den Darstellerinnen ihre Erregung zu glauben, ist schwierig: Gar zu unecht klingt das permanente Gestöhne, anscheinend aus Solidarität mit dem Fellatierten übrigens auch dabei, und die euphorischen Reaktionen auf den erigierten Penis des meist „kopflosen“ Mannes. Dieser scheint jedoch glaubwürdiger: Zwar weiß man, dass auch Pornoakteure hin und wieder „faken“ und mit künstlichem Sperma spritzen. Aber ihre professionelle Lust sieht zumindest körperlich „echt“ aus.

Frauen würden es außerdem laut meinen Freundinnen begrüßen, wenn die Darsteller besser aussähen. Denn während die sexuelle Erregung beim Mann offenkundig schon bei zwei Halbkugeln mit Erbsen drauf losgeht, brauchen Frauen oft attraktivere männliche Wichsvorlagen, um sie benutzen zu können. Der Phallus allein reicht da nicht.

In einer Studie von 1988 hat der Diplom-Psychologe Henner Ertel herausbekommen, dass die „Konsummotivation“ für den Pornogebrauch bei fast 80 Prozent der befragten Frauen eine ganz einfache ist: Sie tun es „nur für den Partner“. Feministinnen wussten in den 70ern, woran das liegt: Pornos seien „frauenverachtend“, propagierten Gewalt gegen Frauen und hätten die Unterdrückung der Frau zum Programm. Dass Pornographie die Theorie und Vergewaltigung die Praxis sei, behaupten allerdings heute nur noch wenige. In den raren Studien ergab sich angeblich, bis auf bestimmte „Risikogruppen“, kein signifikanter Zusammenhang zwischen sexueller Gewalt bei Männern und Konsum von (nicht durch Gewaltszenarien angereicherten) Pornos. Aber vielleicht wollte man auch keinen finden.

Wie sollte denn nun so ein Frauen-Wunschlisten-Porno aussehen? Der „Frauenporno“ der All-Women-Produktionsfirmen ist es jedenfalls nicht. Sowohl sein magerer Erfolg als auch die wenigen Untersuchungen dazu zeigen, dass Frauen keineswegs „Kuschelsex“ mit romantischen Geschichten und stundenlangem Vorspiel wollen, sondern die gleiche „Gegenrealität“, die auch Männer in den „supersexuellen“ Pornofilmen schätzen. Wer Frauen so eine David-Hamilton-Variante von Sexualität unterschieben möchte, wünscht sich – strikt patriarchalisch – Frauen als sanfte, kindliche und passive Wesen.

Wenn also der florierende Pornomarkt, von dem immer öfter auch Frauen als Geschäftsleute profitieren, in Zukunft auch das ungenutzte Gebiet der Konsumentinnen schröpfen möchte, müsste er vor allem für unkompliziertere Zugänge sorgen. Die Inhalte müssten sich nur geringfügig ändern, weg von den spezifischen Männerphantasien. Dass Pornos nicht undingt „schön“ sein müssen, um ihren Zweck zu erfüllen, das sehen potenzielle Konsumentinnen auch. Denn sie sind keine Kunst. Sondern mehr oder weniger brauchbare Sex-Gimmicks.

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