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„Schein-Libanesen“ droht Abschiebung

Ausländerbehörde will kurdische Familie abschieben. Die Familie soll aus der Türkei, nicht aus dem Libanon stammen

Die Ausländerbehörde will eine zehnköpfige kurdische Familie auseinanderreißen. Einem Teil der Kinder soll die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden, die Mutter mit den minderjährigen Kindern soll in die Türkei abgeschoben werden. Der Vorwurf: Die Mutter sei keine libanesische Kurdin, sondern eine Kurdin aus der Türkei, und habe somit keine Berechtigung, in Deutschland zu bleiben. Ihre Kinder hätten die deutsche Staatsangehörigkeit erschlichen, indem sie behaupteten, Libanesen zu sein. Für Staatenlose aus dem Libanon besteht nämlich Abschiebeschutz.

Müeyyed E. kam 1981 in die Bundesrepublik. Sie brachte sechs Kinder aus erster Ehe mit. Da ihr Mann im Libanon während des Bürgerkriegs umgekommen war, heiratete sie nach islamischen Recht einen Türken. Die beiden bekamen vier weitere Kinder. Die ältesten vier Kinder haben mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit, zwei weitere sowie der Vater eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

Die Ausländerbehörde will die Mutter und die vier minderjährigen Kinder jetzt abschieben. Die Behörde begründet dies damit, dass die Mutter gar nicht im Libanon geboren sei, sondern in der Türkei. Dies stütze sich auf kriminalpolizeilichen Recherchen, die ergeben hätten, dass Müeyyed E. in ein türkisches Geburtenregister eingetragen sei, so der Anwalt der Familie, Rüdiger Jung. Nach Ansicht von Jung sei die heute 45-Jährige aber definitiv im Libanon geboren und dort aufgewachsen: „Sie ist nie in ihrem Leben in der Türkei gewesen und spricht nur Arabisch.“ An der Richtigkeit der polizeilichen Ermittlungen bestehen ihn erhebliche Zweifel. Jung liegt ein libanesischer Familienstamm der Mutter vor. Wenn die Frau tatsächlich in der Türkei geboren wäre, dann könnte sie abgeschoben werden. Nur Kurden aus dem Libanon genießen derzeit einen Abschiebeschutz, weil der Libanon sie nicht aufnehmen würde. Den erwachsenen, mittlerweile deutschen Kinder könnte dann auch die Staatsangehörigkeit aberkannt werden. Denn nur staatenlose Kinder, die in Deutschland geboren und mindestens fünf Jahre hier sind, haben einen Einbürgerungsanspruch. Rechsanwalt Rüdiger Jung hält das Verhalten der Ausländerbehörde jedoch für „menschenverachtend“. Die Kinder, die mit abgeschoben werden soll, seien mittlerweile alle sehr gut integriert, sprächen fließend Deutsch und brächten gute Schulnoten nach Hause. Das habe auch eine Stellungnahme des Jugendamts ergeben. Dort heißt es, dass die Kinder „sehr aufgeschlossen“ seien. Sie beteiligten sich aktiv am kulturellen Leben und in der Schule.

Jung: „Es handelt sich um einen eklantanten Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention, wenn die Mutter und die Kinder in ein völlig fremdes Land abgeschoben werden und vom sorgeberechtigten Vater getrennt werden.“ Wenn die Ausländerbehörde tatsächlich überzeugt sei, dass Müeyyed E. nicht im Libanon geboren sei, sollte sie ein strafrechtliches Verfahren bekommen und im Zweifelsfall bestraft werden. Eine Abschiebung sei jedoch unverhältnismäßig. Kinder und Mutter könnten kein Wort Türkisch.

Das Schicksal der Familie E. erinnert an ähnliche in Bremen. Dort hatte vor einem Jahr eine Sondereinheit der Bremer Polizei ermittelt, dass sich „über 500 Personen mit falscher Nationalität“ in Bremen aufhalten sollen. Sie hätten einen türkischen Pass, behaupteten aber, dass sie aus dem Libanon kämen. Die „Schein-Libanesen“, wie sie in den Medien tituliert wurden, sollen abgeschoben werden.

Rechtsanwalt Jung hat jetzt vor dem Verwaltungsgericht eine Rechtsschutzklage eingereicht. Bis diese nicht entschieden ist, darf nicht abgeschoben werden.

JULIA NAUMANN

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