„Willkommen bei den Terroristen“

Trotz des Drucks der Nato und der Belgrader Regierung will die albanische UČPMB in Südserbien ihren Kampf fortsetzen. Sie ist besser organisiert und bewaffnet, als es die UČK im Kosovo je war, und lehnt eine serbische Herrschaft über das Gebiet ab

aus Südserbien ERICH RATHFELDER

„Willkommen bei den Terroristen“, sagt Ruzhdi und lädt den Besucher zu einem Kaffee ein. Der schlanke Mann mit den angegrauten Schläfen steckt in einer Uniform der UČPMB, der Befreiungsorganisation von Preševo, Medvedja und Bujanovac. Er ringt sich ein Lächeln ab. „Als Terroristen hat uns doch der serbische Premierminister Zoran Djindjić bei seinem Besuch in Berlin bezeichnet.“ Hinter den schützenden Mauern eines großen Anwesens in dem Dorf Mal Terrnoc haben sich mehrere Kämpfer der UČPMB versammelt. „Also Terroristen sind wir nicht“, betont Ruzhdi.

Mal Terrnoc liegt kaum drei Kilometer von der „Frontlinie“ entfernt und ist Teil der demilitarisierten Zone Südserbiens, die sich als fünf Kilometer breiter Streifen entlang der Grenze zum Kosovo hinzieht. Und in diese Zone, die nach den Bombenangriffen der Nato auf Jugoslawien im Juni 1999 eingerichtet wurde, sind seit einem Jahr die albanischen Kämpfer der UČPMB eingesickert, die Anschläge auf serbische Polizisten verübten und sich mit ihnen Kämpfe lieferten. Sehr zum Ärgernis der neuen serbischen Führung unter Präsident Vojislav Kostunica. Nun ist selbst die Nato ist bereit, den serbischen Forderungen, die demilitarisierte Zone zu verkleinern, entgegenzukommen. Auch sie will einen Brandherd Südserbien verhindern. Doch die Männer im Hof sind deswegen nicht eingeschüchtert. „Wir kämpfen um unser Dorf“, kündigt Ruzdhi an. Und er erzählt, wie es zu dem Konflikt gekommen ist.

Im Juni 1999, nach dem Einrücken der Nato-Truppen in das Kosovo, seien serbische Paramilitärs und die Truppen der Jugoslawischen Armee aus Priština hierher in die ausschließlich von Albanern bewohnte Grenzregion gekommen. „Die Paramilitärs haben uns sofort angegriffen. Wir waren gezwungen, in das Kosovo zu fliehen“, berichtet er. Im April letzten Jahres seien viele der Männer zurückgekehrt, Frauen und Kinder blieben im Kosovo. „Die Häuser waren ausgeraubt, doch wir waren wieder da.“ Er deutet auf ein schon etwas verblichene Graffiti an einer der Häuserwände. „Serbien reicht bis Tirana“, steht da in kyrillischer Schrift zu lesen.

Der Nachbarort Terrnoc ist das Frontdorf. Von der Anhöhe ist das Tal von Bujanovac gut einzusehen. Strategisch günstig sitzen die Albaner in den Bergen, die serbischen Truppen müssten sich bei einem Angriff auf Widerstand einrichten. Der bärtige Militärchef dieses Frontabschnitts und Vizekommandeur der UČPMB mit dem Kriegsnamen Lleshi gibt sich gelassen. Er trägt wie alle seine Männer Uniform, ist bewaffnet mit einer AK-47-Gewehr jugoslawischer Produktion und einer Maschinenpistole von Heckler und Koch. Moderne panzerbrechende Waffen sind zu sehen. Die UČPMB scheint militärisch weit besser ausgerüstet und organisiert zu sein, als die UČK dies im Krieg um das Kosovo jemals war.

Auf die Frage, was sie tun würden, wenn die Nato die demilitarisierte Zone verkleinerte und serbische Truppen „legal“ in die Grenzregion zurückkehren dürften, ist die Antwort eindeutig. „Wir werden die serbische Herrschaft über das Gebiet nicht mehr zulassen. Artillerie haben wir zwar keine, aber leicht werden wir es den Panzern der jugoslawischen Armee nicht machen“, sagt einer der Unterkommandeure. Kommandeur Lleshi springt derweil in sein Auto. Er soll einen Waffenstillstandsvertrag unterzeichnen, der von der KFOR vorbereitet wurde.

Der Weg hinunter zum Dorf Koncul, wo die KFOR-Delegation und sogar hochrangige serbische Regierungsvertreter erwartet werden, ist erst kürzlich angelegt worden. Die Kämpfer der UČPMB und albanische Zivilisten haben die Region mit einem Netz von Feldwegen überzogen, über die der Nachschub an die Frontlinien gebracht werden kann. Auf der Hauptstraße Konculs haben sich schon viele Menschen versammelt, um auf das Ergebnis der Verhandlungen zu warten.

Auch Albaner aus Preševo sind in das Dorf gekommen. Irgendwie haben sie den Weg durch die Frontlinien geschafft. „In Preševo ist die Bevölkerung 90 Prozent albanisch“, berichten sie. Obwohl die serbische Polizei den Ort kontrolliere, sei es seit einigen Monaten nicht mehr zu Übergriffen auf Albaner gekommen. Ein Mann, der in Zürich arbeitet und seinen Urlaub nutzt, um seine Familie zu besuchen, ist sich unschlüssig, wie er zu den Kämpfen stehen soll. „Die einheimischen Serben sind in Ordnung, Probleme bereiten die Flüchtlinge aus dem Kosovo, die Paramilitärs und manche Polizisten.“ Er selbst wolle nur ruhig leben, ohne Angst, ob im Kosovo oder in Serbien. „Wir Albaner in Serbien wollen als gleichberechtigte Bürger anerkannt sein, dass wir es nicht sind, das ist das Problem“, sagt er. Als er von einem Kämpfer gefragt wird, was er mit dem Journalisten zu reden habe, lacht er nur: „Noch herrscht das Militär, auf allen Seiten.“