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Neue Krise im Sonnenstaat

Mit Erdgas als Hauptenergieträger hat Kalifornien offenbar aufs falsche Pferd gesetzt. Zu den Problemen bei der Stromversorgung kommen nun rasant ansteigende Gaspreise

aus New York NICOLA LIEBERT

Der Energienotstand ist seit drei Wochen beendet, aber die Krise längst nicht überwunden. Immer noch kämpft der kalifornische Gouverneur Gray Davis darum, dass Unternehmen und Privathaushalte in seinem Staat ausreichend Strom erhalten. Dazu müssen mehr Kraftwerke her. Und Erdgas, um diese zu befeuern. Das allerdings ist inzwischen auch teuer und knapp.

Wegen der Deregulierung des Gasmarkts war der Preis zwischen 1985 und 1999 um ein Viertel gesunken. Der fallende Ölpreis zog die Gaspreise weiter nach unten. „Das hat die ganze Industrie davon abgehalten, nach mehr Gas zu bohren“, sagt Raymond Plank, Chef der texanischen Öl- und Gasförderungsfirma Apache Corp. Auch in neue Pipelines wurde kaum investiert. Das rächt sich jetzt, im letzten Jahr haben sich die Preise vervier- bis verfünffacht. Und kalifornische Abnehmer müssen wegen der aktuellen Engpässe zusätzlich mit kräftigen Aufschlägen rechnen.

Praktisch alle neueren Kraftwerke in Kalifornien laufen mit Gas. Weil sie befürchten müssen, dass die Energiekonzerne, die wegen der Stromkrise vor der Pleite stehen, ihre Rechnungen nicht bezahlen, sind die Gaslieferanten jedoch vorsichtig geworden. Einige ließen sich nur durch ein Notgesetz aus den Zeiten des kalten Krieges, das eigentlich die Verteidigungsfähigkeit sichern soll, zur Lieferung zwingen.

Inzwischen verdienen sich die großen Gasfirmen an der kalifornischen Krise eine goldene Nase. Ein Beispiel ist Anadarko Petroleum. Der texanische Öl- und Gaskonzern hatte letztes Jahr eine Konkurrenzfirma geschluckt und dabei die scheinbar eher lästige Verpflichtung mit übernommen, Gas per Pipeline aus den Rocky Mountains nach Kalifornien zu transportieren. Dank der explodierenden Preise flossen dann im vierten Quartal 2000 aus dieser Pipeline überraschend 135 Millionen US-Dollar an außergewöhnlichen Gewinnen in die Kasse von Anadarko.

Für die Kunden ist das weniger erfreulich. Mehr als 50 Prozent der Amerikaner heizen ihre immer größeren Häuser mit Gas. „Die Energieversorger bringen uns um unser Haus“, klagt stellvertretend für viele Jerry Reiling, der sich vor ein paar Jahren an der Grenze zwischen Kalifornien und Oregon sein Siebenzimmer- Traumhaus gebaut hat. Jetzt will er sich nach etwas Kleinerem umsehen – die 1.600 US-Dollar Heizkosten, die seine Frau und er diesen Winter für die Gasheizung ausgeben müssen, waren im Budget der beiden Rentner nicht eingeplant.

Die Probleme beschränken sich nicht auf Kalifornien. Ganz Amerika hat auf Erdgas als billigen und sauberen Brennstoff gesetzt. 16 Prozent der Elekrizität wird inzwischen aus Gas erzeugt. Schließlich haben die Umweltbehörde EPA und das Energieministerium die Hürden für den Bau von Kohle- und Atomkraftwerken sowie von großen Staudämmen bewusst heraufgesetzt.

Umweltschützer sehen in der Energiekrise die Chance, endlich wieder über erneuerbare Energien zu reden. In den Siebzigerjahren hatte Kalifornien durch ein ehrgeiziges Programm für die Förderung alternativer Energien von sich reden gemacht. Doch weil sich die Energieversorger stur zeigten und fossile Energieträger allzu billig waren, blieb es beim Vorhaben. Jetzt arbeitet Gouverneur Davis an einem neuen Programm, das unter anderem 50-prozentige Steuernachlässe für Anlagen vorsieht, die Wohnhäuser oder Produktionsanlagen mit regenerativen Energien versorgen.

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