Während Klytämnestra und Elektra sich streiten, fordert Ödipus mutig:
: Die tägliche Gender-Seite

betr.: „Hass von Frau zu Frau“ von Viola Roggenkamp, taz vom 7. 3. 01

Ach? Da ballert Frau Roggenkamp mit schwerstem Geschütz auf eine kleine Wahrheit-Kolumne. Kathrin Passig hasst Frau, hasst Mutter, hasst Vater und – das musste wohl sein – letztlich sich selbst.

Mit Verlaub: dies „Schlagloch“ ist geradezu ein Manifest gegen eine tägliche Gender-Seite. So viel Arroganz und Ignoranz, vorgetragen mit fast schon bewundernswerter Humorlosigkeit, kann nun wirklich kein Mensch jeden Tag ertragen.

Was soll die Klammerbemerkung „jüngste Buchveröffentlichung über Sadomasochismus“ implizieren?

HANNES WINDISCH, Leipzig

Ich las das Schlagloch gerade beim Mittagessen und die Forumsbeiträge dazu zum Nachtisch.

[...] Ist die Angst der Männer vor intelligenten Frauen wirklich so groß? (Und die Angst der Frauen vor intelligenten Frauen noch größer?) Die Notwendigkeit der Gender-Seite habe ich erst jetzt begriffen!

Macht sich eigentlich je ein Mann eine Vorstellung davon, wie viele Optionen sich einer Frau bieten beim Entwurf ihres Selbstbildes und wie viele Gefahren auf sie lauern, wenn sie einfach nur sie selbst ist!? Is schon ’ne blöde Frage! Aber interessiert es denn wirklich keinen Mann/keine Frau, gemeinsam herauszufinden, wie wir die Unterschiedlichkeiten am besten nutzen, ohne jemanden dafür kleiner zu machen? CORDULA LIPPKE, Berlin

Ich vermute, es ist Folgendes passiert: Während Medien-Redakteur Arno Frank auf dem Dach bei der Überwachung der herannahenden MIR eingeschlafen war, hat der Computer, sich selbst überlassen, Frau Roggenkamps Beitrag, der eigentlich für die Rubrik „Die wirrsten Grafiken der Welt“ vorgesehen war, in Worte übersetzt und auf die Meinungsseite gepackt... Ein gelungener Beitrag zur Aktualität des Frauentages und gewichtiges Argument für eine tägliche Gender-Seite. INGER DETLEFSEN, Bremen

[...] Auch ich kann nicht jeden Tag „diese Genderdinge ertragen“, wenn sie so vertrackt kompliziert daherkommen wie bei Viola Roggenkamp. Wenn die taz regelmäßig Glossen über Christentum, Islam, PazifistInnen, PolitikerInnen, Schwule, Lesben, den deutschen Fußball, Kampfhunde, Heimwerkermärkte und Szenekneipen druckt, darf ich mich doch wohl wenigstens einmal über eine kleine Glosse zum Thema „Genderfragen“ freuen? [...]

UTE FINCKH, Berlin

[...] Wenn nach 30 Jahren Frauenbewegung so Argumente aussehen, wundert mich der verlotterte Zustand des Feminismus nicht. Aber ist doch toll, dass ihr sonst keine Probleme habt! [...]

ARNE HOFFMANN, Springen

Als nicht mehr ganz „neuer Vater“ und Hausmann seit 15 Jahren liebe ich Genderdinge (K. Passig) über alles; klingt sogar schön, dieses beiläufige Wörtchen.

Aus dieser betont „en passant“ gemachten Bemerkung das „Giftige“ (V. Roggenkamp) herauszufiltern, bedarf es einer riesigen Anstrengung, nämlich der Projizierung auf den (neben Ödipus) klassischen Gender Mythos überhaupt. Schwer nachzuvollziehen ... Vor 25 Jahren standen Klytämnestra und Elektra im Zentrum eines Buches von Christa Reinig („Entmannung“, bei Luchterhand), das von Liebe + Hass erfüllt und sehr witzig und vielleicht vergriffen ist. WALDO ELLWANGER, Oldenburg

Dass nun wirklich niemand diese „Genderdinge“ jeden Tag ertragen könne, so etwas klingt provozierend in feministischen Ohren, müsste aber keineswegs unversöhnlich wirken, könnte es doch erstmals als Ausdruck dafür gelten, dass jede Generation die Auseinandersetzung zwischen den Geschlechtern auf ihre Weise führen möchte. Eben dies scheint V. Roggenkamp ihrer dissidanten Provokateurin von vorneherein absprechen zu wollen, indem sie ihr pauschal „Frauenhass“, insbesondere einen „beifallheischenden Mutterhass“ unterstellt, der wiederum den tiefer liegenden „Vaterhass“ verhüllen soll.

Solche tiefenpsychologischen Schnelldeutungsverfahren haben mitunter einen beklemmenden Bumerang-Effekt, bekommt der „Hass von Frau zu Frau“ übertitelte Text einen unerwarteten Nebensinn: scheint die Verfasserin beim näheren Hinsehen doch genau das zu tun, was sie ihrer mangelhaft sensibilisierten Kollegin vorwirft, nämlich „eine andere Frau öffentlich mal eben vorzuführen“. Dadurch, dass Elektras Hass in letzter Instanz einseitig allein auf den Vater hin gedeutet wird, weicht man der keineswegs erschütterlichen Tatsache aus, dass auch frauenbewegte Mütter respektlosen, trotzigen Töchtern (und Söhnen!) gegenüberstehen können. Um so besser eigentlich!

Ein solcher Anspruch auf eine Deutungshoheit könnte demnach auch eine Form von „subtiler Entwertung von Töchtern durch Mütter“ darstellen, die V. Roggenkamp eigentlich anschaulich beschreibt, ohne zu ahnen, sie könne selbst gemeint sein.

Beide Autorinnen entbehren den Blick dafür, dass zeitgenössische Gendertheorien nicht nur ein wachsames Augen auf weiterhin real existierende Diskriminierung, Ausbeutung und Entwertung von Frauen haben, sondern nebenbei noch zur mitunter auch lustvollen Dekonstruktion von eingefahrenen Rollenbildern einladen, zu einer anderen unbelasteten Sprache der Sexualität usw. Dies beträfe dann neben Frauen übrigens auch Männer.

Während Klytämnestra und Elektra also weiter streiten, ergreift der taz-Leser namens Ödipus unerwartet die Gunst der Stunde und fordert mutig die tägliche taz-Gender-Seite.

ANSGAR JÖRNS, 26, Köln

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