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Erst einmal unverzichtbar

Bahnchef Mehdorn tritt vorerst nicht zurück. Zum Glück. Wer sonst wollte diesen Job machen?

von KATHARINA KOUFEN

Schon bei seiner Antrittspressekonferenz im Januar 2000 machte Bahnchef Hartmut Mehdorn klar, dass er in diesem einen Punkt unnachgiebig sein würde: Schienennetz und Bahnbetrieb bleiben zusammen, basta. „Oder wollen Sie zurück zum Sozialismus?“ Damals glaubte Mehdorn sogar noch an den Börsengang der für die Schiene zuständigen Tochter DB Netz – was derzeit niemand ernsthaft diskutiert.

Dafür diskutiert man seit dem Wochenende die Trennung der DB Netz vom Rest der Holding – und das an höchster Stelle. Diskutiert? Der Kanzler und Verkehrsminister Kurt Bodewig beschlossen kurzerhand, dass die Schiene nicht länger unter den Fittichen der Deutschen Bahn bleiben dürfe. Punkt. Den Bahnchef ließen die Politiker außen vor. So jedenfalls beschreibt das Handelsblatt das Szenario. „Mühsam beherrscht“ habe Mehdorn daraufhin ein Einvernehmen mit Bodewig dementiert. Und mit Rücktritt gedroht.

Das nun bezeichnet ein Bahnsprecher als „völligen Unsinn“. Und ein Mitarbeiter fiel gestern auf die Frage „Tritt Mehdorn zurück?“ aus allen Wolken: „Davon ist überhaupt nicht die Rede.“ Anscheinend sei eine „recht scharfe“ Äußerung von Kommunikationschef Dieter Hünerkoch überinterpretiert worden. Mehdorn selbst habe mittlerweile hausintern eingelenkt: Jetzt komme es auf das „Wie“ der Trennung an. Die milden Töne aus der Chefetage werden in Bahnkreisen einem Kuhhandel zugeschrieben: Bodewig und Schröder hätten Mehdorn mit dem Rücktritt des ungeliebten DB-Aufsichtratschefs Dieter Vogel letzte Woche auf ihre Seite gelockt.

Die Bahn ohne Mehdorn? „Das wäre viel schlimmer als die Trennung von Netz und Betrieb“, sagt ein Bahnmitarbeiter. Denn trotz der „distanzierten, abwartenden Haltung“ der meisten Mitarbeiter gegenüber ihrem Chef, „die nicht von sonderlicher Sympathie geprägt ist“, gilt der Manager auch im eigenen Haus als fähig. „Die Leute mögen, dass er die Dinge klar beim Namen nennt.“

Tatsächlich gelangte mit Mehdorn erstmals ein echter Manager an die Bahnspitze, die bis dahin nach politischer Loyalität besetzt wurde. Anders als seine Vorgänger, die Finanzprobleme schönredeten, propagiert Mehdorn „die schonunglose Aufdeckung“ aller Milliardenlöcher. Seitdem, so hört man aus dem Berliner „Bahntower“, falle der Chef von einer Ohnmacht in die nächste. Schon deshalb ist nicht anzunehmen, dass die Regierung ihn vergrault: Sonst müsste sie ja einen Neuen finden, der den Job freiwillig macht.

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