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Betr.: „Schlimme Seiten“ taz hamburg vom 5.03.01

Aufschrei?

Wo bleibt er denn in Hamburg, „der Aufschrei der Anständigen“, den Bundeskanzler Schröder im Dezember ankündigte? Muss erst ein obdachloser Mensch, wie in Mecklenburg-Vorpommern erschlagen oder ertränkt und behandelt werden wie Abfall, weil er vielleicht auch im Abfall lebt? Wieviel Unmenschlichkeit lassen wir zu, bevor wir schreien? Sollten wir nicht spätestens damit anfangen, wenn ein Anzeigenblatt wie das „Alstertal Magazin“, das auch von der Unterstützung honoriger Geschäftsleute lebt, einen obdachlosen, kranken und letztlich wehrlosen Menschen als „Schwein in Menschengestalt“ diffamiert? Steckt in dieser Sprache nicht eine indirekte Aufforderung zur Gewalt? Bei uns gehören Schweine zum Schlachtvieh.

Und was empört uns mehr - dass ein offenbar gestörter Mensch im reichen Hamburg winters im Freien logiert, weil ihn adäquate Hilfen offenbar nicht erreichen, oder die Vermüllung unseres schönen Alsterwanderweges? Um die Reaktion des Blattes zur längst nötigen öffentlich wahrnehmbaren Entschuldigung zu zwingen, sind jetzt auch örtliche Anzeigenkunden und Politiker gefragt.

„Business as usual“ und vielleicht bis September noch ein bisschen Wahlkampfwerbung über dies Blatt – das darf nicht sein. In diesem Monat werden Bürgerinnen und Bürger, die sich für Obdachlose engagieren, mit einem Sektempfang geehrt. Geehrt fühlen sollten sich alle „Anständigen“, nur „schreien“ müssen sie auch.

Martin Leo

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