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Weyher treiben Nazis nach Vegesack

■ Nazi-Gegendemo zum breit getragenen „Aktionstag für Toleranz“ ist verboten. Die NPD weicht nun nach Bremen-Vegesack aus, wo der Innensenator keine Verbotsmöglichkeit sieht

Es ist wieder so weit: Zum zweiten Mal nach 1999 wollen Rechtsradikale in Bremen-Nord demonstrieren. Zu einem „mehrstündigen Marsch“ durch Vegesack ruft der NPD-Kreisverband für den kommenden Samstag auf. Aber das Gebiet um das ehemalige Vulkan-Gelände ist nur der Ausweich-Parcours für die rechten Protestler. Eigentlich wollten sie am Sonnabend in Weyhe marschieren. Der dortige „Aktionstag für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit“ ist den Rechten ein Dorn im Auge.

In der Gemeinde an Bremens südlichem Stadtrand geht Erstaunliches vor sich: Nahezu die gesamte Bevölkerung stellt sich mit dem Aktionstag am Samstag gegen die zunehmenden rechtsradikalen Aktivitäten in in Weyhe und Umgebung. Laut niedersächsischem Staatsschutz leben dort zurzeit rund 25 bekennende Neonazis. Insider schätzen allerdings, dass es in der Region zusätzlich mindestens 50 Sympathisanten gibt. Rechte Jugendliche haben mehrfach antirassistische Veranstaltungen gestört und verteilen in großen Mengen Flugblätter, Aufkleber und Plakate.

Grund genug für die Weyher Bürger, aktiv zu werden. Die Idee für einen Aktionstag kam von der Grünen Jugend und den Jusos, aber schnell waren auch Junge Union (JU) und Jungliberale im Boot. Die Nachwuchspolitiker begeisterten ihre „Mutterparteien“ und schon war der Weg geebnet für das ganz große „Aktionsbündnis gegen Rechts“. Darin findet sich nun die Antifa Weyhe neben der CDU wieder. „Wir hatten schon Bauchschmerzen damit, dass die CDU dabei ist“, sagt ein junger Antifaschist. Schließlich gebe es gerade aus der niedersächsischen JU Aufrufe, nicht gegen rechts zu demonstrieren. Aber der JU-Vertreter kam ohnehin nur einmal auf dem Weg zum Tennis beim Bündnis vorbei.

Die Weyher CDU hat indes kein Problem mit einem Bündnis gegen Rechts. „Als Demokraten müssen wir doch gegen alles stehen, was die Demokratie bedroht,“ sagt Ingrid Söfty, Vorsitzende der Ratsfraktion. Ganz pragmatisch hat die Partei deshalb ihre Plakatstellwände rausgerückt. Darauf überkleben jetzt junge Antifas die CDU-Wahlwerbung mit hunderten von Plakaten für den Aktionstag. Der Ort ist förmlich gepflastert damit, denn beim breiten Bündnis will niemand abseits stehen: Geschäfte bieten ihre Schaufenster an, Unternehmer spenden Geld. Vom DGB über Kirchen, Schulen und Hausfrauenbund bis zur Deutsch-Polnischen Gesellschaft sind alle dabei. Die Gemeinde leistet auch ihren Beitrag: Sie stellt die Mehrzweckhalle kostenlos zur Verfügung. Nachmittags findet dort ein Multi-Kulturfest statt, abends ein Konzert mit sieben Bands aus der Region. Als Überraschungsgast wird eine bekannte Ska-Kapelle erwartet. Sollte es dabei zu Schäden kommen, die die Versicherung nicht abdeckt, will die Gemeinde die Kosten tragen – das beschlossen alle Ratsfraktionen gemeinsam.

Markus T. vom Bündnis ist stolz auf das Erreichte: „Wir wollten wirklich alle einbeziehen.“ Er rechnet mit 2.000 TeilnehmerInnen bei der Demonstration (10 Uhr, Marktplatz), bei der der SPD-Bundestagsabgeordnete Detlev von Larcher sprechen wird. Die Gegendemonstration der Rechten hat die Gemeinde verboten – wegen Kollisionsgefahr. Die zogen nicht vor Gericht, sondern nach Bremen-Nord. Dort sieht Innensenator Bernt Schulte (CDU) keine rechtliche Handhabe für ein Verbot, wie es unter anderem SPD, PDS und DGB fordern. Stattdessen wurde mit den Anmeldern vom NPD-Kreisverband Bremen eine Route ausgehandelt, die zumindest die Vegesacker Innenstadt außen vor lässt. Die PDS hat unterdessen eine Gegendemo angemeldet, die SPD will gar ein neues „Bündnis“.

Jan Kahlcke

Info: www.wir-weyher-gegen-rechts.de

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