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In the name of Fucky

„Den Mut haben, nicht extrakrank zu malen, sondern plakativ zu sein, das finde ich genial“: Ein Porträt der Malerin und Labelbetreiberin Evelin Höhne

von DANIEL BOESE

„Cool is what you want to be“, gaben Art of Kissing den Lesern des Jetzt-Magazins vor ein paar Wochen mit auf den Weg – ein Statement, das von der Art-of-Kissing-Sängerin Evelin Höhne stammt und überaus gut passt zu ihrem sonstigem Leben als Malerin und Labelbetreiberin im Post-Galerie-berlintokyo-Umfeld. Konsequent verfolgt sie ihren Stil, Jungs und Mädchen mit großen Augen zu malen, und lässt sich auch nicht von dem 1a-Kritikpunkt ästhetisch-theoretisch gebildeter Menschen abhalten: „Du malst aber niedlich, ist das dir nicht zu niedlich?“ Dem setzt sie einfach unprätentiös entgegen: „Den Mut haben, nicht extrakrank zu malen, sondern plakativ zu sein, das finde ich genial.“

Aber das Coolness-Statement passt auch aus anderen Gründen zu ihr, denn die Leserschaft von Jetzt liegt ihr am Herzen. Teenagerangelegenheiten sind ihr auch gut zehn Jahre nach der eigenen Teen-Zeit noch wichtig, was die bei ihr auf dem Küchentisch liegende aktuelle Teeniepostille Mädchen beweist. Diese und die Bravo kauft sie ungefähr alle drei Monate, um an ihren Steckenpferdchen aus Teenagertagen dranzubleiben.

So führen wir dann zu Erdbeereis und Knuspertorte mit Johannisbeeren erst mal ein Teenagergespräch: Was ist deine Lieblingsband? Wie hast du deinen Freund kennen gelernt? „Mir war schlecht, ich hatte Fieber, ich wusste, ich war verliebt, aber ich wusste noch nicht, in wen“, sagt sie über die ersten Tage ihrer Liebe. Sie hat in dem Jeans-Team-Mitglied Franz den richtigen Jungen gefunden, eine Band war der Erkennungscode fürs private Glück: Beide waren Fans der obskuren Creation-Band Teenage Filmstars.

Evelin ist im Herzen Fan. Sie betreibt zusammen mit Alex Bechberger das Fucky Laibel, das sie gründete, um ihre Bands Minitchev und Art of Kissing zu veröffentlichen. Seitdem bringen sie und Alex Bands raus, die sie selber mögen, aus Berlin, aber auch aus dem Rest der Welt. Fucky-Veröffentlichungen gibt es nur auf Vinyl, man liebt schließlich die eigene Plattensammlung. (Als es einmal gar nicht anders ging, brachten sie einen CD-Fucky-Sampler einfach bei Flittchen Records heraus.)

Und Evelin liebt, man höre und staune, vor allem die Platten der einstigen britischen Wimp-Legende Felt. Poster von Felt hängen nun keine in ihrer Wohnung, auch Plattencoverposen malt sie nicht mehr nach, doch sie hat Felt-Mastermind Lawrence Hayward geschrieben, ihm Fucky-Laibel-Sachen geschickt und Probenraumfotos des Jeans Teams.

Sie rennt zur Anlage, legt die Felt-Platte „Forever Breathes A Lonely Word“ auf, wir hören das melancholische, pathetische, großartige „All The People I Like Are Those That Are Dead“, und dann erzählt sie mit leuchtenden Augen, wie Lawrence Hayward ihr ganz lieb zurückschrieb und es nicht fassen konnte, dass Menschen in Berlin seine Musik hören.

Über eigene Fans freut sie sich auch. Sie erzählt von all den Fucky-Kopien, die sie schon gesehen hat. Fucky ist so was wie ihr Maskottchen, das Logo vom Fucky Laibel, eine kleine schwarze Comic-Figur mit runden Augen, Ohren, Kopf und je nach Stimmungslage einem + oder einem – auf dem Bauch. Beim Kopieren malen Leute, so wie Jim Avignon, einer ihrer Freunde, meistens die Ohren an den falschen Platz oder Micky-Maus-Ohren. Der echte Fucky mit Hängeohren auf Augenhöhe findet sich auf vielen ihrer Bilder wieder, zum Beispiel als tröstende Puppe eines traurigen Mädchens, er ziert aber auch ihre liebevoll animierte Website.

Hier kann man die Porträts bestellen, die Evelin malt und mit denen sie ihr Geld verdient. Man schickt ein Foto vom Freund oder dem Hund und bekommt ein buntes Bild. Die Personen sind comicartige Figuren und haben große Augen. Das Porträt ist nicht immer eins zu eins, manchmal hat sich da schon jemand beschwert: „Hey, ich hab doch da ein Grübchen! Aber für Narzissten mal ich eben nicht. Und Jungs mit Schnurrbärten nur, wenn sie extrem fröhlich sind!“

Nach Features in der Zeit und in ein paar Frauenzeitschriften ist die Nachfrage gut, zumal die Kunst nicht teuer ist. Evelin sieht sich selbst als „Kaninchen-Künstlerin“, die Bilder „rauskarnickelt“. Als Vielproduzentin tauscht sie die Bilder dann auch mal: Toaster, Saftpresse und Wasserfilter sind durch diese Berliner Ökonomie in ihre Küche gekommen. Sie fährt bewusst keine Art-Biz-Verknappungsstrategie, sondern macht U-Kunst: „Ich freue mich jedes Mal, wenn jemand sich eins von meinen Bildern als sein erstes richtiges Bild kauft.“

Dafür studierte sie nicht Kunst, sondern die Philosophical-Slacker-Studiengänge Kulturwissenschaft und europäische Ethnologie. Sie hat zwar einmal eine Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule probiert, sich dann aber lieber dem fröhlichen Dilettantentum zugewandt. Wobei ihre Bilder trotz aller Niedlich- und Fröhlichkeit auf den zweiten Blick etwas Gebrochenes aufweisen. Die großen Augen sind oft verstört oder leer. Diese Gebrochenheit ihrer Figuren aber ist unbeabsichtigt: Europäische Comics zum Beispiel findet Evelin zu krank, zu angestrengt auf Innovation bedacht.

„Mein Ideal ist es dagegen, ein schönes Bild zu malen, das man sich gerne aufhängt, das aber auch nicht zu debil ist.“ Sie will gerade kein Schwierigkeitsmalen, um Pseudoansprüche von ästhetischer Kritik zu erfüllen: „Die Menschen müssen wenigsten schöne Augen haben, sonst kann man da nicht jeden Tag drauf gucken. Ein Mensch sieht sich in jedem Quatsch, selbst in einem Auto: zwei Lichter, Kühler – smiley face. Wenn man dann zwei hübsche Augen auf einem Bild sieht, denkt man: Hey, gut, damit kann ich leben.“

Zum Abschied schenkt sie mir eine kleine Fucky-Puppe, mit + auf dem Bauch. Diese Puppe bewacht jetzt mein Bett.

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