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Geschachere um Flüchtlinge

Innen- und Justizminister der EU beraten über illegale Einwanderung, Asyl und Schutz der neuen Außengrenzen nach der EU-Erweiterung. Christdemokraten im EU-Parlament sind für Quotierung der Flüchtlinge. Der Vorschlag hat wenig Chancen

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Wenn sich die Innen- und Justizminister der EU heute und am Freitag in Brüssel treffen, werden die Dauerbrenner wieder auf der Tagesordnung stehen: illegale Einwanderung, Asyl, Schutz der neuen Außengrenzen von Schengen-Land nach der Erweiterung.

Zusätzlich müssen die Aufgaben bewältigt werden, die der Rat von Feira vergangenen Sommer den Ministern gestellt hat: Bis zum Jahr 2003 sollen im Rahmen freiwilliger Zusammenarbeit 5.000 Polizeibeamte aus den Mitgliedsländern in Bereitschaft stehen. 1.000 Polizeibeamte sollen jederzeit innerhalb von 30 Tagen in ein Krisengebiet geschickt werden können.

Mit diesen drängenden Fragen, die die Gemeinschaft als Ganzes betreffen, kommen die zuständigen Fachminister bei ihren EU-Treffen nur im Schneckentempo voran.

Zwar ist die Union aus Perspektive eines Flüchtlings, eines Schleusers oder Autoschiebers seit dem Wegfall der Binnengrenzen ein einheitlicher Rechtsraum. Aus der Perspektive der Mitgliedsstaaten allerdings gehören Innen- und Rechtspolitik zur so genannten dritten Säule, zur nicht vergemeinschafteten Politik.

In Deutschland kompliziert sich die Lage zusätzlich, weil über viele innenpolitische Bereiche auf Länderebene entschieden wird. Im Herbst haben die Innenminister der Länder eine Arbeitsgruppe gegründet, um zu beraten, wie die Beschlüsse von Feira umgesetzt werden können.

Schon jetzt ist klar, dass bis zur geplanten Polizeikonferenz am 10. Mai in Brüssel keine Ergebnisse vorliegen. Verhandelt wird zwischen souveränen Staaten, entschieden wird einstimmig, das Europäische Parlament wird zwar angehört, entscheidet aber nicht mit.

So war auch die Debatte am Dienstag im Straßburger Plenum so engagiert wie folgenlos. Mit großer Mehrheit folgten die Abgeordneten einem Antrag der christdemokratischen Fraktion, Bürgerkriegsflüchtlinge sollten künftig nach Quoten auf die EU-Staaten verteilt werden. Besonders die deutschen Abgeordneten drängen auf eine Regelung, um eine einseitige Belastung Deutschlands in Zukunft zu verhindern.

Im Bosnienkrieg, so betonte der deutsche CDU-Abgeordnete Hartmut Nassauer, habe Deutschland doppelt so viele Flüchtlinge aufgenommen wie die anderen EU-Staaten zusammen. Im Rat allerdings hat dieser Quotenvorschlag „nicht die geringste Chance“, wie ein deutscher EU-Diplomat im Vorfeld des Treffens urteilte. Die meisten Länder wollen den Ausgleich finanziell regeln, im Rahmen des Europäischen Flüchtlingsfonds. Die Kommission schlägt als Kompromiss ein „Pledging-Verfahren“ vor, bei dem jedes Land reihum Aufnahmegarantien anbietet, bis eine ausreichende Zahl von Plätzen erreicht ist. Auch diesem Vorschlag werden nur geringe Chancen eingeräumt.

Einigen muss sich der Rat auch darüber, unter welchen Voraussetzungen eine Gruppe von Vertriebenen ohne individuelle Asylverfahren in der EU Aufnahme finden soll. Konsens besteht bereits darüber, dass die Duldung für zwei Jahre ausgesprochen wird. Danach müssen die Flüchtlinge entweder zurückkehren oder Einzelanträge auf politisches Asyl stellen.

Welche Probleme auftauchen, wenn im faktisch gemeinschaftlichen Binnenraum Recht und Justiz Ländersache bleiben, zeigt die Diskussion um den Strafrahmen. Der juristische Dienst des Rats stellt sich auf die Seite der Kommission, wenn er argumentiert, dass nur strafbewehrte Politikziele durchgesetzt werden können. Deshalb habe die EU-Kommission das Recht, ein Strafmaß für den Fall vorzuschlagen, dass gemeinschaftliche Regeln verletzt werden. Fast alle Justizminister – auch der deutsche Innenminister Schily – sind der Ansicht, das Strafmaß gehöre zur dritten Säule und könne daher nur zwischen souveränen Staaten ohne Beteiligung der Kommission ausgehandelt werden.

Der Konflikt beinhaltet Zündstoff für die Zukunft. Denn die Kommission hat zur Bekämpfung der Drogenkriminalität, zur Beihilfe zur illegalen Einreise und unerlaubtem Aufenthalt und zu Umweltdelikten Gesetzesinitiativen angekündigt, die EU-weit einen angeglichenen Strafrahmen anstreben.

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