berliner szenen
: Herr H. und der Puff

Aber ratzfatz!

Seit Jahren plant unser Vermieter einen Puff in den leerstehenden Ladenräumen im Erdgeschoß. Seit Jahren, und keiner im Haus hat ihn ernst genommen. Ich hätte ihn besonders ernst nehmen müssen, ich wohne im ersten Stock, direkt über den Geschäftsräumen. Aber der Vermieter erzählt viel, wenn der Tag lang ist. Es kommt vor, dass er nachts um 11 Uhr klingelt – angeblich um eine Taschenlampe oder Leiter auszuborgen – und mir ganz nebenbei ein Geschichte über seine Russen und Polen aufdrängt.

Herr H., so nenne ich ihn jetzt mal, beschäftigt nämlich vorzugsweise Gastarbeiter. Deutsche Handwerker sind ihm nicht nur zu teuer, sie widersprechen ihm auch zu viel.

Seine Gastarbeiter – die übrigens hin und wieder im geplanten Puff auf schmuddeligen Matratzenlagern nächtigen – führen mangels Sprachkenntnisse seine Aufträge ohne einen Mucks aus. Meistens falsch, denn Herr H. kann auch kein Russisch. Das und andere spannende Probleme erzählt er zur besten Fernsehzeit im zugigen Hausflur.

Das Ladengeschäft hat große Fenster. Dahinter lauert er auf seine Mieter, um sie beim Hinausgehen abzufangen. Samstagnacht, wir wollen zu Freunden fahren, wirft er sich vor unser Auto. „Frau Eckert, ich habe heute eine Anzeige in der B.Z. aufgegeben: Modellwohnungen vom Eigentümer selbst zu vermieten. Vier Frauen haben schon angerufen. Mein Anwalt sagt, das geht in Ordnung. So ein Puff ist juristisch gesehen kein Problem.“

Drei Tage später kommen dann konkrete Anweisungen per Telefon. Zum Glück bin ich nicht da und finde folgende Nachricht (im Originalton) auf dem Anrufbeantworter: „Ja, jetzt ist es bald so weit. Ich habe mit meinem Anwalt gesprochen, alles paletti. Wir machen also unten einen Puff rein. Hab schon ganz viele Interessenten. Wir müssen jetzt nur aufpassen, dass sie von da unten nichts hören. Keine Musik, keine Geräusche, kein Schreien, nichts. Ich will später keine Beschwerden von Ihnen haben. Wir machen mal eine Probe, mit Musik, Schreien und so weiter. Kümmern Sie sich darum, aber ratzfatz.“

Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört. Der Erzieher vom Schülerladen nebenan meinte nur, H. habe ihm kurz mitgeteilt, es gebe doch irgendwelche juristischen Probleme. Seit einigen Tagen hat auch das seltsame Klopfen im Erdgeschoss aufgehört, ich hielt es für die ersten Hörproben. Schade eigentlich. So ein Puff wäre bestimmt ganz spannend gewesen. ELKE ECKERT