Der Neid der kleinen Drachen

„Wer tötete Bruce Lee?“ Im Prater versuchen sich Tim Staffel und Fabian Spuck an der Jahrhundertfrage – mit Chacha, B-Movies, der Mafia und einer Überdosis Cannabis

Unsere kleine Farm im Prater hat inzwischen einiges gesehen; „Frau unter Einfluss“ von René Pollesch nach Cassavetes, „Gier unter Ulmen“ von Fred Kelemen nach O’Neill, und jedes Mal hat Bert Neumanns Kakteen-Installation vorzüglich das jeweilige Geschehen gerahmt und sich als flexibles Western-Passpartout erwiesen. Als solches passt es auch unbedingt zu der Frage „Wer tötete Bruce Lee?“, die das neueste Film-Theater-Performance-Projekt in den Prater-Studios übertitelt. Wie ja auch schon die Marlboro-Canyons super zu Ang Lees „Croaching Tiger, Hidden Dragon“ passten: wahrscheinlich weil, wer lange genug in Richtung Osten geht, schließlich doch im Westen ankommt.

Tim Staffel, der Romanautor mit ausbildungsbedingten Theateraffinitäten, hat einen angenehm kurzen, musikalischen Text über den westlichen Fernost-Filmfighter Bruce Lee geschrieben – dessen kurzes Leben im Speziellen und eher beliebige Kampfphilosophien im Allgemeinen – und gemeinsam mit Fabian Spuck dessen Umsetzung auf der Neumann-Bühne konzipiert. Dazu steuert Spuck Videoaufzeichnungen aus einer Berliner Kampfsportschule bei, in die wiederum Ute Schall Sequenzen aus Bruce-Lee-Filmen hineingeschnipselt hat, die Damen Smat (Drums) und Spin-O (DJ) besorgen die rhythmische Begleitung und schließlich choreografieren Claudia Splitt, Jule Werner und Mathias Hermann dreimal den Bruce, indem sie sich alle vorstellen mit dem Satz: „Ich bin Bruce Lee – ich bin ohne Stil, eine formlose Form.“

Die beiden Frauen tragen dazu unförmige Polster um die Lendengegend. Einmal schleudern sie zum Dialog um einen sachlichen Heiratsantrag platschend Eier und Melonenstücke in ein laufendes offenes Mixgerät, so dass am Schluss zum Zuprosten kaum was übrig bleibt: ein triftiges Bild, das den ganzen Abend gut beschreibt. Hochhäuser und kleine Drachen, amerikanische Schlitzaugen und B-Movies, Hongkong und die Mafia, diverse „abfangende Fäuste“ und der schlichte Tanzschritt Cha-Cha – als Begriffe, Bilder, illustrierende Darstellungen, Samples oder gesungenes Liedchen tauchen diese Zutaten heiter immer wieder um ihrer selbst willen auf; wer jedoch weder ein Fan ritueller Prügeleien noch semiprofessioneller Performance-Kunst ist, den wird dieses Verfahren ästhetisch und bedeutungserzeugungstechnisch womöglich etwas langweilen.

Wäre da nicht der mythische Dauerbrenner des „Only the good die young“. Dass Bruce Lee als eine der ehrlichsten, eindimensionalsten Häute des Popgeschäfts offenbar in direkter Linie mit dem Germanenheld Siegfried verwandt ist, hätte man vorher so nicht vermutet: Dem Neid der Götter (Nibelungen) entspricht der Neid der Drachen (Hongkong), und im Grunde kann ausgeschlossen werden, dass Bruce Lee seine „inneren Hämorriden“ oder eine „Überdosis Cannabis“ ins Grab gebracht haben. Immerhin war er „der fitteste Mann der Welt, der perfekte Körper“ und starb trotzdem im Alter von 32 Jahren, ganz wie Jesus. EVA BEHRENDT

Weiter Aufführungen: 16./17. 3., 20 Uhr im Prater, Kastanienallee 7–9