Zhu Rongji hält Kurs

Chinas Premier verkündet zum Abschluss des Volkskongresses neue Schritte zur Korruptionsbekämpfung und die Fortsetzung seiner Reformpolitik

aus Peking GEORG BLUME

Mit der Zerschlagung der von konservativen Parteikräften kontrollierten Monopole in der Energie- und Telekommunikationswirtschaft will Chinas Premierminister Zhu Rongji die marktwirtschaftlichen Reformen in der Volksrepublik voranbringen. Zhu sprach gestern auf einer Pressekonferenz zum Abschluss der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses in Peking. Er beendete die ansonsten nach den Regeln der Parteidisziplin recht harmonisch abgelaufene Parlamentssitzung mit einem ungewöhnlichen Angriff auf den stalinistischen Volkskongressvorsitzenden Li Peng und seinem wichtigsten Verbündeten in der Regierung, Telekommunikationsminister Jia Chunwang.

Zwar nannte Zhu seine beiden Gegner nicht beim Namen, doch führte er die von ihnen parteiintern verantworteten Wirtschaftsbranchen beispielhaft als „überbezahlt“ und damit korrupt vor. „Die Energie- und Telekommunikationsindustrien werden restrukturiert und dabei ihr Monopol verlieren“, sagte Zhu. Er versprach eine Stärkung der Aktienmärkte und forderte die Beamten auf, planwirtschaftliches Denken zu überwinden.

In der Sache ist das alles nicht neu: Am Grundkurs seiner Politik will Zhu in den verbleibenden zwei Jahren seiner Amtszeit keine wesentlichen Änderungen vornehmen. Er will die vor drei Jahren begonnene Reform der Staatsbetriebe zu Ende zu führen, Infrastrukturmaßnahmen für Chinas unterentwickelten Westen anschieben, eine Grundversorgung für Arbeitslose aufbauen und das System bäuerlicher Abgaben ändern, um die Korruption auf Dorfebene zu bekämpfen.

Dass Zhu seinen Job als Handwerk und nicht als parteiideologische Übung versteht, macht ihn im Volk beliebt und erlaubt ihm außergewöhnliche Auftritte. Zwei Stunden sprach er gestern live im Staatsfernsehen mit der internationalen Presse – so lang wie noch nie.

Der feine Unterschied, den die Chinesen mögen, liegt auch im Stil: Was denn mit der neuen Parteitheorie von den „drei Repräsentationen“ und der Formel „mit Tugend regieren“ gemeint sei, wurde Zhu gefragt. Der Premier empfahl trocken, solche Fragen zur „Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus“ lieber auf einem Seminar abzuhandeln. Damit mokierte er sich indirekt über das Ansinnen von Partei- und Staatschef Jiang Zemin, der den kommunistischen Parteigeist mit altem konfuzianischem Gedankengut („Tugend des Staates“) auffrischen will.

Zhus antiideologischen Charme setzt Chinas Führung auch bewusst ein in einer Zeit, da die Beziehungen zur neuen US-Regierung dringender Klärung bedürfen. Zhu ließ es gestern an keiner denkbaren Offerte gegenüber Washington fehlen: Er zitierte US-Außenminister Colin Powell mit den Worten, China und die USA seien „Partner im Handel“, erinnerte an Aussagen des alten George Bush, des Vaters des jetzigen US-Präsidenten, und forderte „effektivere Kommunikation“ mit Washington.

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