Anders Sterben: Lindern statt heilen
■ Erste Bremer Schmerzstation eröffnet
Die Linderung von Schmerzen und die medizinische Sterbebegleitung sind nach wie vor kein attraktives Gebiet der auf Heilung fixierten Hochleistungsmedizin. Das sagte die norwegische Ärztin Bettina Sandgathe-Husebo am Rande des zweiten Kongresses der Palliativmedizin, der gestern in der Glocke eröffnet wurde.
Als Schritt in die richtige Richtung wertete Hans-Joachim Willenbrink, Schmerzdiagnostiker am Krankenhaus Links der Weser, die Eröffnung einer Palliativstation. Acht Plätze stehen ab Ende des Jahres für Patienten zur Verfügung, bei denen Heilung nicht mehr zu erwarten ist. Die Station wird eng mit dem ebenfalls neu entstehenden Hospiz in der Nähe des Waller Parks zusammenarbeiten. Dort werden zehn Plätze für totkranke Patienten eingerichtet.
Noch vor zehn Jahren war der Begriff der Palliativmedizin, übersetzt: der schmerzlindernden Therapie in der Ärztewelt weitgehend unbekannt. Heilung war das Maß aller Dinge. Wie wichtig dieser Bereich ist, wurde auf dem zweiten Bremer Kongress für Palliativmedizin veranschaulicht, die einzige regionale Tagung dieser Art. Von den 300.000 neu erkrankten Krebspatienten im Jahr sind 170.000 nicht mehr therapierbar, rund ein Drittel der Erkrankten braucht eine palliative Betreuung.
„Auf der neuen Station werden Menschen behandelt, die in ihrer verbleibenden Zeit eine besondere medizinische, psychosoziale und pflegerische Zuwendung benötigen“, erklärt Dr. Hans-Joachim Willenbrink, der auch Initiator des Kongresses ist.
Als „Bollwerk gegen das Begehren nach Sterbehilfe“, sieht Eberhard Klaschik vom Bonner Zentrum für Palliativmedizin die Schmerztherapie: Nach Umfragen in den Niederlanden sind es zwei Gründe, die für den Wunsch nach Sterbehilfe auschlaggebend sind: Zum einen die Schmerzen und zum anderen der Verlust an Würde.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar, aber so, wie wir mit alten Leuten umgehen, muss ich da leider ein Fragezeichen setzen“, kritisierte die Ärztin Bettina Snadgathe-Husebo die Mängel in den Gesundheitssystemen der meisten europäischen Länder. Sie forderte unter anderem eine bessere Ausbildung für die Pfleger und eine stärkere Berücksichtigung von Patientenbedürfnissen. Dass diese in manchen Fällen – so bei Alzheimer-Erkrankten – erst ermittelt werden müssen, sollte kein Hindernis sein, so die Ärztin. ar
Heute, um 13.45 Uhr informiert Hans-Joachim Willenbrink in der „Glocke“ über die Abteilung und das Hospiz.
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