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Nach dem Goldrausch

Neben der Spur lebt es sich auch nicht besser: Die Berliner Schriftstellerin Tanja Dückers erzählt in ihrem neuen Buch „Café Brazil“ von einer Generation, die keine sein kann

Es war mal wieder so ein typisch zusammengerührter Spiegel-Artikel: „Die neue Vorschusspanik“ hieß der, erschien im Dezember 2000 und handelte von Verlagen, Buchhändlern und Autoren. Vor allem aber von den riesigen Summen, die inzwischen jungen AutorInnen schon vorab und für nichts bezahlt würden; darüber, wie wichtig die Medientauglichkeit der Jungliteraten sei, und nicht zuletzt davon, dass sich das alles oft gar nicht rechne.

Ein Beispiel gab es auch: Die „gut aussehende“ Berliner Jungschriftstellerin Tanja Dückers, eine der Hauptprotagonistinnen des ebenfalls vom Spiegel ausgerufenen „Fräuleinwunders“, und ihr Roman „Spielzone“, von dem der Verlag in anderthalb Jahren nicht einmal 3.000 Exemplare absetzen konnte. Das stand einfach so da und sollte sachlich sein, wirkte aber nicht besonders schmeichelhaft. Viel Rummel um nichts, so als sei die Sache mit dem Jungliteraturboom nur ein großer Luftballon gewesen, als hätte es sowieso nicht lange gut gehen können, dass Faktoren wie Alter, Aussehen und Medienpräsenz eine größere Rolle spielten als die Literatur an sich.

Abgesehen davon, dass 3.000 verkaufte Exemplare für ein Debüt eine ordentliche Zahl sind und Tanja Dückers nur versucht hat, sich so gut wie möglich auf allen Kanälen zu verkaufen, kommt nun der Veröffentlichung ihres Erzählbands „Café Brazil“, ein gewisser Modellcharakter zu: Ein Buch nach dem Goldrausch, von einer Autorin, die stellvertretend für die große Kluft zwischen Medienhype und Verkaufserfolg steht; eine Buchveröffentlichung unter erschwerten Bedingungen: gegen einen Negativtrend, gegen ein Unbehagen bei den so genannten Medienpartnern. Zumal „Café Brazil“ jetzt nicht ein völlig anderes Buch ist, kein Krimi nach dem Drama, kein Roman über ein Altenheim nach dem Szeneroman. Schnell erkennt man denselben Sound, den „Spielzone“ auszeichnete, die losen Betrachtungen, die irgendwie hingeworfenen Geschichten, ein ähnlich großes Personal mit ähnlichen Charakteren und psychologischen Austattungen, das Tanja Dückers wieder so abstandslos wie möglich vorstellt.

Menschen zwischen 20 und 30, die leichthin durch Szenen und Zeiten gleiten und eigenartige Liebes- und Beziehungsverhältnisse pflegen: Die „Henna-Hexen“ aus der gleichnamigen Geschichte, die in einem besetzten Haus wohnen, sich aber lieber mit Esoterik beschäftigen, als politisch aktiv zu sein; der aus Uruguay stammende Ich-Erzähler in „Auf der Suche nach Montserrat“, der sich begehrlichen Angriffen geiler, blonder, deutscher Frauen ausgesetzt sieht, aber eigentlich seine Cousine Montserrat liebt; die Frau, die nicht zum Archtitekurstudium zugelassen wurde und am liebsten auf dem Sofa sitzt und sich den Kopf zuraucht.

Mitunter ist es schwer auszumachen, ob jetzt eine Frau oder ein Mann erzählt. Die Geschlechterverhältnisse sind uneindeutig, die Figuren und die Frage nach Männlein oder Weiblein verschwimmen im leicht Diffusen. Manchmal sind es ein paar Stefans, Marys, Katinkas, Julias, Uwes, Richies, Billies oder Willies zu viel, deren Vornamen Dückers unentwegt droppt, manchmal hat sie es überhaupt ein bisschen sehr mit Namen, die ach so immens wichtig sind und Sympathien oder Antipathien ausdrücken.

Zuweilen hätte auch ein besseres Lektorat nicht geschadet: Wenn in „In Innern des Turms“ einer der beiden Protagonisten eine Pistole aus dem Fenster schmeißt, nur um sie zwei Sätze später wieder vom Boden des Turmzimmers aufzuheben; wenn Dückers einen Aussage verstärken will und einen neuen Satz zur Verstärkung beginnt mit: „Auf hochdeutsch:“ (Warum nicht: „Auf gut deutsch gesagt:“ oder, viel besser: „Ich sach mal:“?). Oder wenn sie „Südamis“ schreibt. (Siehe auch andere pseudohippe Dückers-Wörter wie „Restos“ oder „Krawattis“).

Doch das darf unter die Rubrik Schönheitsfehler fallen. Es überwiegt der Eindruck, dass Dückers Geschichten zuerst irgendwie leer sind und auf den zweiten Blick etwas Komisches, Kaputtes oder Tieftrauriges haben.

Sie schreibt von Leuten, die ein bisschen neben der Spur liegen, psychisch ein klein wenig beschädigt sind, darüber, wie schnell man den Grat des anerkannt normalen Verhaltens übertreten kann: Wie zum Beispiel Lukas in der Geschichte „Rote Federn“, der noch immer in die Wohnung seiner Exfreundin schleicht und dort ein klitzekleine Veränderungen vornimmt.

Man denkt, wie gesagt, beim Lesen von „Café Brazil“ oft an „Spielzone“, doch gut möglich ist es, dass Tanja Dückers zumindest ihr Image als „Berliner Szeneautorin only“, an dem sie nicht zuletzt selbst mit einem ziemlich flauen Spiegel-Artikel („Spaßhaus Mitte“) ordentlich mitgestrickt hat, mit diesem Band wieder los wird. Berlin jedenfalls regiert nicht mehr, sondern vor allem eine Generation, die reichlich zusammengewürfelt erscheint und die nur eint, dass zu ihr überhaupt keines der vielen Generationskonstrukte mehr passt. Das ist schlecht für die Auflage, aber toll. GERRIT BARTELS

Tanja Dückers: „Café Brazil“. Aufbau-Verlag, Berlin 2001, 202 Seiten, 29,90 DM. Tanja Dückers liest So., 15 Uhr, im Brazil, Gormannstraße 22, Mitte, aus ihrem Buch vor

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