: Rad fahren wie Beatrix
Der Fliegende Holländer – die königliche Hoheit unter den Fahrrädern. In Deutschland beliebter denn je, denn der solide Klassiker kommt mit moderner Ausstattung daher
Am Anfang war das Weihnachtsgeld. Und Bettina-Maria Berlinicke wusste sofort, wofür sie’s ausgeben wollte: „Nostalgie pur.“ Für 960 Mark gönnte sie sich ein Hollandfahrrad in klassischer Version: mit Dreigang-Nabenschaltung, Kettenkasten, Hinterradschutz und dem so genannten Gesundheitslenker. Eine schwarze Schönheit von ordentlichem Gewicht (20 Kilo). Trotzdem sei es ein Rad, sagt die Frau aus dem Ammerland, mit dem man überall gut vorankommt.
Eine Aussage, die unter den Fans des Fliegenden Holländers Standard ist und in letzter Zeit immer häufiger zu hören ist. Denn die Zahl dieses unverwüstlichen Klassikers scheint offensichtlich wieder stark anzuwachsen. Das bestätigt auch Andreas March, Verkaufsleiter bei Sparta, einem der traditionellen Hersteller: „Seit zwei Jahren haben wir in Deutschland wieder steigende Umsatzzahlen.“
Was vor allem die Fachhändler in den ländlichen Regionen Norddeutschlands freuen dürfte. Ob Oldenburger Raum, Ostfriesland oder Schleswig-Holstein – dort ist nahezu jedes dritte Fahrrad, das herumsteht oder -fährt, ein robuster holländischer Typ. Tendenz: steigend. Warum das so ist, erklärt Josef Bäumker, Großhändler und Importeur aus Rheine. „Die Leute wollen wieder etwas Solides, was nicht sofort kaputt ist, wenn es mal umfällt.“ Die solide Technik der aktuellen Modelle setzt weiterhin auf überlieferte Zutaten, etwa den Schwanenhalsrahmen oder die Vollverkleidung der Kette. Auch beim Farbdesign bevorzugt man immer noch neben edlem Schwarz und Königsblau, Erdbraun und Diarrhö-Grün.
Allerdings sind führende Marken wie Sparta und Gazelle mittlerweile auch mit modernen Komponenten zu haben. So kann „Athena“, der Klassiker aus dem Hause Sparta, mit Oversized-Rahmenrohren, verstellbarem Vorbau und Standrücklicht aufwarten. Und die Dreigang-Schaltung hat sich fast überall auf sieben Gänge vermehrt. So auch bei Gazelles „Tournee Ambience“, laut Hersteller das meistverkaufte Fahrrad in Deutschland. Ein Rad, das ganz selbstverständlich mit Halogenscheinwerfer, Standrücklicht und gefedertem Gelsattel daherkommt.
Alles schön und gut, sagt Bettina-Maria Berlinicke. Wichtig sei, was man sich fühlt: „Auf so einem Fahrrad sitzt man so schön aufrecht – wie auf einem Thron.“ Ein wahrhaft majestätisches Argument. Tatsächlich steigt in den Niederlanden selbst die königliche Familie aufs Fiets Hollandaise. Königin Beatrix soll es sogar geschafft haben, dem gebürtigen Moffen Prinz Claus das Gleiten auf dem Fliegenden Holländer beizubringen.
UTA GELLERT
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