: Ameise, über Deleuze krabbelnd
■ Ameisenhaftes und Intergalaktisches von Schaffner & Deutsch aus Hamburg in der Galerie Herold im Güterbahnhof
Eines der Ölbilder von Mathias Deutsch lässt das Herz jedes Journalisten hüpfen. Zu sehen ist eine Tischplatte, darauf hunderttausend Mikrophone, große und kleine, di-cke und dünne, und dahinter nichts als gähnende Leere, und dann auch noch in Dunkelbraun. Welcher Pressemensch oder Phoenix-TV-Gucker würde da nicht an das Miss-verhältnis von intergalaktischem Technikaufwand und subterrestrischen Inhalten in manchem Politiker-Blabla denken. Ein anderes Bild zeigt einen Grabes- oder Treppenschacht, der sich escher-piranesiartig umstülpt zu Hügel oder Abschussrampe. Bei beiden Bildern hat Deutsch das in die Tiefe ziehende Nichts jeweils sehr schön wolkig gemalt, wie einen Mark-Rothko-Flauschflecken.
Eher schlampig gepampt sind hingegen zwei Afrika-Bilder, nicht ganz unpassend zum Inhalt. In der Manier typischer Focus-Info-Grafiken sind auf dem linken Bild des armen Kontinents unterschiedlich große Särge verzeichnet, auf dem rechten sind es Ethnokitschskulpturen: Apart Totemistisches versus echte Tote.
Mathias Deutsch mag sie nicht mehr, die ewig selbstreferenzielle documenta-xy-Kultur. Kunst, so meint er, kann durchaus politisch sein ohne banal zu werden und bestätigt dies auch gleich in einer Zeichnung. Da tummeln sich Schlüssellöcher, und wenn eines davon gekippt wird, verwandelt es sich in Mensch-ärgere-dich-nicht-Spielfigur: Als Themen kämen in Frage private Indiskretion, globale Überwachung, Neugier... as you like.
Von Gabi Schaffner sind Fotos von Tieren hinter Gitter aus dem High-tech-Plotter ihrer Hamburger Kunsthochschule zu sehen. Und die Zootiere schmachten keineswegs nur als bemittleidenswerte, geknechnete Kreaturen auf schrundigen Betonböden vor Maschendrahtzaun. Schaffner ließ sie ihre Würde der Fremdheit und Unnahbarkeit durchaus bewahren.
Nachdem die beiden Künstler ihre Ausstellung bereits durch drei Abendveranstaltungen mit Fischsuppe, Alphorn, dadaistischen Lesungen und Vorträgen aus Parallelwelten aufgemöbelt haben, liest Gabi Schaffner zur Finissage am 21.März, 17h aus ihrem neuen bibliophilen Buch „Phänomene der inneren Topografie“. Es ist ein Lexikon der Innenwelten, das alles Kluge von Burroughs bis Deleuze collagiert. Die wichtigste Rolle darin spielt aber die mongolische Ameise. bk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen