Giftdeponie Nordsee

■ Niedersachsen möchte mit Tributylzinn verseuchten Hafenschlick ins Meer kippen – Bremen will seinen Dreck gleich hinterherschmeißen. Das käme doch viel billiger / Ökologische Folgen

Das Niedersächsische Hafenamt Norden hat bei der Bezirksregierung Weser-Ems die Verklappung von mit Tributylzinn (TBT) verseuchtem Hafenschlamm ins Wattenmeer beantragt. Der Hafenschlamm, um den es gehen soll, stammt aus den Landesversorgungs häfen auf den ostfriesischen Inseln, Norddeich und Bensersiel, bestätigte Arthur Dierks, Sprecher des Hafenamtes aus Norden. Dieser Schlick ist mit bis zu 600 Mikrogramm TBT pro Kilo Trockensediment belastet. Laut Erlass des niedersächsischen Umweltministers darf aber nur Schlick mit maximal 100 Mikrogramm TBT pro Kilo Trockensediment verklappt werden. Höher belastete Schlämme werden an Land entsorgt. Gestern fand in Oldenburg eine Anhörung zum Norder Antrag statt.

„Uns wurde dabei zugesichert, dass diese hohen TBT-Mengen von 600 Mikrogramm jetzt nicht verklappt werden. Aber die Gutachten zum Verklappungsantrag lassen für die Zukunft Schlimmes befürchten“, sagt Annette Bauermann vom Bremer WWF. „Wir finden schon 100 Mikrogramm viel zu gefährlich. Unser äußerstes Zugeständnis wären 0,5 Mikrogramm.

TBT wird Schiffsfarben beigemischt, um das Anwachsen von Algen und Muscheln am Schiffsrumpf zu verhindern, die die Fahrt hemmen und so die Treibstoffkos-ten erhöhen. Das Gift erstickt aber auch andere Lebewesen oder beeinflusst sie hormonell. Folgen sind Unfruchtbarkeit und Missbildungen im Genitalbereich. Bei Seebären, Seehunden und Fischen wurde dies schon festgestellt. Manche Schneckenarten sind deswegen vom Aussterben bedroht. Auswirkungen von hormonell wirkenden Umweltgiften auf den menschlichen Organismus sind seit Jahren von Wissenschaftlern nachgewiesen.

Jürgen Ritterhoff von der Bremer Aktionskonferenz Nordsee (AKN) warnt deshalb: „Wenn Niedersachsen diese Mengen von bis zu 300.000 Tonnen hochgiftigen Schlamms tatsächlich ins Wattenmeer verklappt, gefährdet das die Verbraucher. TBT kann über Fische auch in die menschliche Nahrungskette gelangen.“ Tatsächlich musste vor drei Jahren die Hansestadt Hamburg vor dem Verzehr von Fischen aus der Alster warnen. Sie waren mit TBT vergiftet.

Hintergrund des Verklappungsantrages des Niedersächsischen Hafenamtes ist ein bislang nicht öffentliches Papier der Bund-Länder Arbeitsgemeinschaft Baggergut Küste (BlabaK), deren wichtigste Mitglieder führende Hafenvertreter sind – die allesamt ein Problem mit der teuren Entsorgung giftigen Hafenschlicks haben.

Ihr Papier schlägt vor, bis mindestens zum Jahr 2005 die Verklappung von Hafenschlamm zu genehmigen, der mit bis zu 600 Mikrogramm TBT pro Kilo Trockensediment belastet sein darf. Bis 2010 soll dieser TBT-Grenzwert auf 300 Mikrogramm abgesenkt werden. Bis zum selben Datum soll nach einem Beschluss der Internationalen Maritimen Konferenz (IMO) der UNO TBT in Schiffsfarben verboten werden. Ob dieses Verbot sich durchsetzen lässt, gilt noch als fraglich.

Bremen reagiert auf den jüngsten Verklappungsvorstoß prompt. „Wenn das durchgeht, dann werden wir auch wieder Verklappung beantragen. Das kommt doch viel billiger als die Entsorgung auf der Luneplate oder in Seehausen“, sagt Wolfgang Meyer vom Hansestadt Bremischen Hafenamt in Bremerhaven. Allein in der Seestadt fallen jährlich mindestens 50.000 Kubikmeter Schlamm mit TBT-Konzentration um 600 Mikrogramm pro Kilo Trockensediment an.

Erst 1997 hatte das Land Niedersachsen die Nordsee für vergifteten Schlamm aus den Bremer Häfen gesperrt. Damals war eine TBT-Verseuchung gemessen worden, die stellenweise über 100.000 Mikrogramm TBT pro Kilo Trockenschlamm lag.

Thomas Schumacher