: Urteil 40 Jahre nach dem Schuss
Mehr als 40 Jahre nach dem Schuss auf einen 18-Jährigen hat das Landgericht einen Ex-DDR-Volkspolizisten zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Der heute 64-jährige Angeklagte wurde gestern der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gesprochen.
Der Vopo hatte den Jugendlichen festnehmen wollen, weil dieser einen Westsender gehört hatte. Bei der Verfolgung durch Ostberlin hatte er dem 18-Jährigen in den Rücken geschossen, woran dieser drei Wochen später starb. Das Gericht kam zu dem Schluss, der Beschuldigte habe den Mann nicht töten wollen.
Ermittelt worden war erst Mitte der 90er-Jahre, als die inzwischen 86-jährige Mutter aufgefordert wurde, den Totenschein ihres Sohns abzuholen. Sie hatte sich früher geweigert, das Dokument in Empfang zu nehmen, weil darin eine natürliche Todesursache bescheinigt worden war.
Der 18-Jährige hatte sich im März 1959 mit anderen jungen Leuten getroffen und auf der Straße den „Schlager der Woche“ im Westsender Rias Berlin gehört. Da die Halbstarken etwas provozierend aufgetreten seien, hätten die Volkspolizisten den Befehl zur Festnahme bekommen, erläuterte die Richterin. Bei der Verfolgung habe der Angeklagte in Richtung Beine gezielt, jedoch den Rücken getroffen.
Der damals 22-jährige Oberwachtmeister sei mit der Situation offenbar überfordert gewesen, hieß es im Urteil. Der Unfallversion des Angeklagten glaubten die Richter nicht. Dieser hatte erklärt, er sei gestolpert und dabei habe sich versehentlich der Schuss gelöst. Die Richter hielten dem Angeklagten zugute, er sein „ein Rädchen im Getriebe des Systems“ gewesen. DPA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen