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Impulse aus der Nische

Die Welt befindet sich im Wandel. Neue Wirtschaft und neue Gesellschaft werfen neue Fragen auf. Mitten in der digitalen Rezession sucht nun das Online-Magazin „changeX“ nach Antworten

von JAN FUHRHOP

Der Augenblick scheint denkbar ungünstig, um online zu gehen: Internetunternehmen machen reihenweise bankrott und verschwinden aus dem Netz so schnell wie sie aufgetaucht sind. Der Augenblick kann aber auch genau der richtige sein – für ein Projekt wie www.changex.de.

Peter Felixberger ist Geschäftsführer der changeX gmbh. Der Vierzigjährige hat als Lektor und Publizist gearbeitet und sich dabei immer wieder mit dem Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft beschäftigt, zuletzt in dem Buch „Arbeit neu denken. Wie wir die Chancen der New Economy nutzen können“. Während seiner Arbeit hat er festgestellt, „dass bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen einfach nicht den Weg in die etablierten Medien finden und auf dem Buchmarkt auch nur am Rande auftauchen“.

Neuen Ideen und Betrachtungsweisen zu neuen Problemen und Entwicklungen wollte er ein Forum schaffen. Es sollte ein Online-Magazin entstehen, das aber nicht autark existiert, sondern ein Netzwerk mit Buchverlagen, NGOs (Non-Gouvernmental Organizations), wissenschaftlichen Einrichtungen und Stiftungen bildet. Jeder sollte von dem Wissen und den Beziehungen des anderen profitieren können. Im vergangenen Jahr nahmen die Vorstellungen Felixbergers konkretere Züge an, und am 10. Januar 2001 ging dann „changeX – die online-community für den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft“ ins Netz.

ChangeX ist ein Medienexperiment, das versucht, ein multimediales Netzwerk von Fachleuten und Interessierten aufzubauen: Im Online-Magazin werden Essays, Reportagen und Buchkritiken veröffentlicht, die wiederum Anregungen zu Buchveröffentlichungen in den verschiedenen Themenbereichen geben sollen. Dass er sich mit dem Internet genau das Medium zur Verwirklichung seiner Vorstellungen ausgesucht hat, das zu einem Großteil für neu aufgeworfene Fragen und Probleme in der Gesellschaft und Wirtschaft verantwortlich ist, ist nur konsequent und beruht auch auf Pragmatismus. So geht er finanziellen Problemen aus dem Weg, mit denen zum Beispiel das ebenfalls für neue Betrachtungsweisen bekannte Wirtschaftsmagazin brand eins zu kämpfen hat.

„Im Internet können wir mit relativ wenig Mitteln unsere Vorstellungen vermitteln“, sagt Felixberger und weist darauf hin, „dass wir ein Experiment sind und kein Unternehmen mit striktem Businessplan. Wir geben keine einzige Mark für Werbung aus.“ Der studierte Politologe will versuchen, die Betrachtungsweisen aktueller Probleme und Entwicklungen zu ändern: „New Economy bedeutet nicht nur Start-ups, Geld, Aktienkurse und Gewinnprognosen. Es hat auch etwas mit sozialer Verantwortung zu tun.“ Felixbergers Vision: neue Wirtschaft und alte Werte miteinander verbinden.

Die Zentrale von changeX liegt im bayerischen Erding, fünf Festangestellte arbeiten hier. „Nach und nach wollen wir in den großen Städten die vorhandenen Ressourcen anzapfen“, sagt Felixberger. Soll heißen: Autoren und freie Journalisten sollen zu einer Art Städtekorrespondenten werden, wie etwa die ehemalige taz-Redakteurin Annette Jensen, die für changeX aus Berlin schreibt. Zu den Mitarbeiterinnen gehört auch Dagmar Deckstein, Redakteurin der Seite 3 bei der Süddeutschen Zeitung, die zudem auch Gesellschafterin bei changeX ist. Alle Artikel, die auf der Seite changeX.de erscheinen, sind Erstveröffentlichungen, die zum Teil später auch in anderen Zeitungen, wie der SZ und der Frankfurter Rundschau erscheinen werden. „Wir fühlen uns ein bisschen als Impulsgeber für Themen, die in den Medien behandelt werden sollten“, sagt Felixberger.

Finanziert wird die „Community“ durch Partner. Dazu gehört zum Beispiel der Campus Verlag, der als Gegenleistung für einen jährlichen Mitgliedsbeitrag einen bestimmten Umfang von Textseiten auf der changeX-Seite bekommt, auf denen er Bücher aus seinem Angebot besprechen kann. Direkte Werbung, etwa durch Banner, gibt es bei changeX nicht. „Das wird auch so bleiben“, verspricht Felixberger.

Genauso wie die Gesellschaft, über die changeX berichtet, ist auch das Unternehmen selbst in Bewegung. Langfristige Prognosen fallen Felixberger schwer; wie die Gesellschaft, so ist auch sein Projekt noch im ständigen Wandel. „Das hat hier Werkstattcharakter, und wir lernen noch jeden Tag dazu“, sagt Felixberger. Doch so viel ist klar: „ChangeX wird nie ein Massenmedium werden, es ist ein gezieltes Nischenmedium.“ Das liegt wohl auch daran, dass das Projekt eigentlich antizyklisch zu den meisten Internetangeboten ist: Die Essays und Rezensionen sind relativ lang und nicht nur Appetithappen und deswegen zum Runterladen angelegt.

Als Geschäftsführer eines Unternehmens muss man auch irgendwann mal an die Finanzen denken, doch Felixberger blickt vorerst entspannt in die Zukunft: „Für dieses Jahr ist das Projekt abgesichert. Auch uns kann das Geld nicht völlig egal sein. Aber es steht nicht über allem.“

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