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Culture-jumping, blondhaarig

■ Der derzeit erfolgreichste „Weltmusiker“ Geoffrey Oryema spielt am Donnerstag im Kulturzentrum Schlachthof

Richtig rührend wird es, wenn Multiinstrumentalist Geoffrey Oryema ein winzigkleines Brettl mit Metallzungen auspackt, das Daumenklavier Lukeme. Es boiiingt schon auf der ersten Scheibe für Peter Gabriels „Realworld Label“ 1990. Die hieß ebenso knapp wie pathetisch „Exile“. Schließlich war Geoffrey Oryema 1977 in einem Kofferraum aus Uganda emigriert, nachdem sein multifunktioneller Vater – Dichter, Virtuose auf der Nanga (der siebensaitigen Harfe), Polizeichef und Minister für Bodenschätze unter Idi Amin – bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben kam.

In dieser von Brian Eno mit Flötengesäusel, ätherischen Frauenstimmen etc. erstaunlich üppig, aber mit schlurfiger Eno-Relaxtheit produzierten CD und auf „Beat the Border“ (1993) guckt Oryema zum Knuddeln verträumt aus dem Cover. Die langen Zöpfchen wiegen sich malerisch mal im Wasser mal im Wind und die Texte erzählen in einfachen Worten, aber gänzlich unpeinlich von Trauer, Liebesbedürftigkeit und utopischem Überschwang einer geknechteten Seele: „I'm lost and silent in the wildness. I feel I'm a nomad.“

Die neue CD heißt „Spirit“ und die Texte sind noch immer die eines Erlösungsbedürftigen. Doch nun sieht Oryema mit blonder Kurzrasur und Sonnenbrille auf den Promo-Fotos aus wie eine Mischung aus coolem HipHopper und old wise man – obwohl er erst 48 ist.

Wie früher häuft er verschiedene Stile aufeinander, nur besser. Es gibt auch einen Reggae und superknuffige Funkbässe. Wie auf einem afrikanischen Stoffmuster schnörkelt sich immer wieder ein neues Detail, hier ein neuer Keyboardsound, dort ein Frauenchoreinsatz, in einem Lied sogar typische Technosounds. Auch wechselt er mitten in den Songs zwischen Englisch – obwohl er in Paris lebt – und ugandischem Atcholi: „My idea of being an artist is first to explore the world between roots and modern music.“

Immer wieder betont er in Interviews, dass es nichts anderes ist als eine Form von Kolonialismus, wenn westliche Hörer auf „echte“, unverfälschte Rootsklänge bestehen. Oryema möchte sich seine erkennbare Liebe zu den Stones, Beatles, Living Color etc. nicht verbieten lassen. „I want to be universal.“ Und dass er von den Talking Heads dieses Lied mit „the wind in my heaaaart...“ covert, und zwar grandios, zeugt vom exquisiten Geschmack, mit dem er dies culture jumping betreibt.

Das wurde belohnt mit Platz eins in den World Music Charts der European Broadcasting Union. Seine Stimme ist nicht so voluminös wie die von Youssou N'Dour. Aber sie ist genauso wandelbar wie die Stücke. Mal klingt er nach Leonard Cohen, mal nach Talk Talk, mal rootig. Am schönsten ist es, wenn er sich in die Höhe wagt – ganz dünn, aber warm. bk

Konzert am Donnerstag, 22. März, um 20 Uhr im Schlachthof

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