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EU-Bürger sind „passiv tolerant“

Eine Studie der Stelle zur Rassismusbeobachtung zeigt: Im Unterschied zu den Schweden fühlen Dänen und Belgier sich durch fremde Religionen gestört. Jeder vierte Europäer hat nichts gegen Ausländer, kämpft aber auch nicht gegen Rassismus

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Die Österreicher können ausnahmsweise aufatmen: In der Hitliste, die gestern in Brüssel von der „Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ veröffentlicht wurde, belegen sie einen unauffälligen mittleren Platz. Auf die Frage: „Empfinden Sie die Anwesenheit von Menschen anderer Religion als störend?“, antworteten nur 11,6 Prozent der Österreicher mit Ja. Die schwarzen Schafe sind Belgien und Dänemark. Jeder dritte Däne und jeder vierte Belgier fühlt sich durch Mitbürger anderen Glaubens gestört, in Deutschland sind es 16,3 Prozent.

Die Umfrage zeigt, dass die dänische und die belgische Gesellschaft in ihrer Haltung zu Fremden besonders polarisiert sind. Nur 1,8 Prozent der Dänen und 2,9 Prozent der Belgier stehen der Gretchenfrage „Wie hältst du’s mit der (fremden) Religion“ gleichgültig gegenüber.

Ob die Tatsache, dass in Belgien und Dänemark starke faschistische Parteien existieren, die Probleme verschärft, vermochte Beate Winkler, die Leiterin der Beobachtungsstelle, gestern in Brüssel nicht zu sagen. Ein Zusammenhang zwischen den Umfrageergebnissen und rechtsextremen Gewalttaten lässt sich jedenfalls nicht erkennen. In Schweden, wo Straftraten mit rechtsextremem Hintergrund im letzten Jahr stark zugenommen haben, ist die Mehrheit der Befragten besonders tolerant.

Die von der Beobachtungsstelle bei Eurobarometer in Auftrag gegebene Studie filtert aus den Umfrageergebnissen vier Menschentypen: 14 Prozent der Europäer gehören danach zu den Intoleranten, die starke negative Gefühle gegenüber Minderheiten entwickeln. Sie glauben nicht, dass andere Kulturen die Gesellschaft bereichern können, sind für Abschiebung und verlangen von den bleibenden Ausländern ein hohes Maß an Anpassung. Diese Gruppe ist schlechter ausgebildet und hat eine negativere Lebenseinstellung als der EU-Durchschnitt.

Die aktiv Toleranten machen 21 Prozent der EU-Bevölkerung aus und antworten auf die in der Studie gestellten Fragen genau entgegengesetzt wie die Intoleranten. Sie sind überdurchschnittlich gut ausgebildet und haben eine optimistische Lebenseinstellung.

Die größte Gruppe – 39 Prozent der EU-Bevölkerung – wird als „passiv tolerant“ klassifiziert. Sie haben nichts gegen Ausländer, engagieren sich aber auch nicht gegen Fremdenfeindlichkeit. Jeder vierte Europäer gilt als „ambivalent“, erhofft sich also keine Bereicherung durch fremde Kulturen, erwartet eine weit reichende Anpassung an europäische Werte und Lebensweise, fühlt sich aber von Minderheiten nicht gestört.

Vor allem diese Gruppe, so betonte Beate Winkler gestern in Brüssel, könnte von klaren politischen Aussagen erreicht werden. Die deutsche Antisemitismusforschung habe gezeigt, dass Rassismus zurückgehe, wenn er in einer Gesellschaft geächtet werde. „Die Politik spricht sich nach wie vor viel zu selten deutlich für Toleranz aus“, kritisierte Winkler. Auch die Medien nähmen ihre wichtige Rolle nicht immer wahr. Die TV-Serie „Holocaust“ habe schließlich in Deutschland gezeigt, wie viel leichter es sei, ein Umdenken auf dem Weg über Bilder zu erreichen.

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