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Mehr Fische für die Meere

EU-Kommissar Fischler legt Grünbuch für Reform der Fischereipolitik vor: Um Artenvielfalt zu erhalten, wird Überschreitung der Fangquoten strenger bestraft

Um vierzig Prozent müsste die EU-Flotte reduziert werden.

BRÜSSEL taz ■ Dem „Quotenritual jedes Jahr vor Weihnachten“, bei dem die Fischfangquoten unter den Küstenländern der EU ausgehandelt werden, will Agrarkommissar Franz Fischler „ein Ende setzen“. Mit dem „Grünbuch über die Zukunft der Gemeinsamen Fischereipolitik“, das die EU-Kommission gestern vorstellte, soll eine breite Diskussion angestoßen werden, die mittelfristig zu einer mehrjährig planbaren nachhaltigen Fischwirtschaft führen soll: Die betroffenen Fischer und fischverarbeitenden Betriebe sollen mit Politikern und EU-Bürokraten überlegen, wie zukünftig der Fischbestand erhalten werden kann, ohne die ökonomischen und sozialen Zwänge der Menschen zu vernachlässigen, die von diesem Wirtschaftszweig leben.

Seit Anfang der Siebzigerjahre, so die alarmierende Bilanz der Kommission, ist der Fischbestand aller Arten um durchschnittlich neunzig Prozent zurückgegangen. Wichtige Bestände wie Kabeljau wurden noch drastischer reduziert. Diese Schätzungen stammen vom Internationalen Rat für Meeresforschung. Da jedes Jahr ein größerer Teil geschlechtsreifer Fische gefangen wird, gehen die Laichbestände kontinuierlich zurück – die Meere sind leergefischt.

Um vierzig Prozent müsste die europäische Flotte nach Schätzung der Kommission reduziert werden, um die derzeit existierenden Arten zu erhalten. Auch müssten die Strafen für Fischer, die ihre Quoten überschreiten, in der Union angeglichen werden. Die Probleme gleichen denen in der industrialisierten Landwirtschaft: Der technische Fortschritt bringt immer leistungsfähigere Schiffe hervor. Zwischen 1992 und 1996 wurde die Tonnage der europäischen Flotte um 15 Prozent reduziert und damit tatsächlich die Fangkapazität gedrosselt. Inzwischen aber hat die gesteigerte Produktivität der Schiffe diesen Effekt wieder aufgezehrt. Staatliche Beihilfen heizen den Modernisierungsprozess weiter an. Der World Wide Fund for Nature hat begrüßt, dass die Kommission sich des Themas annimmt. Die Forderungen Fischlers gehen ihr aber nicht weit genug. Spätestens 2002 müsse im Rahmen einer Reform der gemeinschaftlichen Agrarpolitik auch die europäische Fischereipolitik neu geordnet werden.

Anders als in der Landwirtschaft führt das irrwitzige Wechselspiel zwischen drosselnden Quoten und anheizenden Produktionshilfen aber nicht zu Überproduktion, sondern dazu, dass ganze Arten ausgelöscht werden. Die Brüsseler Rezepte gleichen aber denen in der Agrarpolitik: Eine zentrale Agentur soll EU-weit kontrollieren, dass die Quoten eingehalten werden. Gleichzeitig soll das Management in die Regionen zurückverlagert werden. Durch mehr Selbstverantwortung, so Fischlers frommer Wunsch, sollen die Fischer erkennen, dass sie derzeit den Ast absägen, auf dem sie sitzen. DANIELA WEINGÄRTNER

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