piwik no script img

Gleiche Schienenpreise für alle

Die Deutsche Bahn gewährt Bahnbetreibern künftig keine Mengenrabatte mehr. Davon profitieren kleine Unternehmen. Minister Kurt Bodewig will unabhängige Regulierungsbehörde und Gesellschaft zur Finanzierung von Infrastruktur

von KATHARINA KOUFEN

Vorige Woche waren die beiden noch auf Konfrontationskurs: Die Trennung von Bahnbetrieb und Schiene sei beschlossen, es gehe nur noch um das Wie, verkündete Verkehrsminister Kurt Bodewig auf dem Parteitag der Grünen vor zehn Tagen. Wenn das Schienennetz aus der Bahn-Holding herausgetrennt wird, trete er zurück, drohte Bahnchef Mehdorn daraufhin. Mittlerweile haben die Streithähne eingelenkt – und Bodewig hat erreicht, was er mit seinem unerwarteten Vorstoß wahrscheinlich bezweckt hat: eine konstruktive Diskussion über mehr Wettbewerb im Schienenverkehr.

Einen ersten Schritt machte gestern die für das Schienennetz zuständige Bahntochter DB Netz selbst: Sie stellte ihre neuen Trassenpreise vor. Bislang galt für alle, die einen Zug auf einer Strecke fahren lassen wollten, ein Zwei-Klassen-System: Große Unternehmen erhielten einen Mengenrabatt, kleinere Betreiber nicht. Mit dem neuen System zahlen ab April alle die gleichen Preise. Diese werden nach Art der zu befahrenden Strecke und des geplanten Verkehrs gestaffelt. Wer einen ICE auf einer viel befahrenen Hochgeschwindigkeitstrasse fahren lassen will, zahlt die höchsten Preise, wer einen leichten Güterzug über Nebenstrecken tuckern lässt, die geringsten. Die Preise bewegen sich laut Dagmar Haase, Marketingvorstand der DB Netz, zwischen 2 und 10 Mark pro Kilometer.

Beispiel: Ein Personenzug von Hamburg nach Westerland kostete bislang für kleine Unternehmen pro Fahrt 2.343 Mark. Nach dem neuen System zahlen alle Betreiber 1.691 Mark. „Damit gewinnen die kleinen Verkehrsunternehmen“, sagte Matthias Zieschang aus dem DB-Finanzvorstand gestern. Für die Töchter der Deutschen Bahn DB Regio und die DB Reise & Touristik wird die Trassennutzung hingegen insgesamt teurer. Schließlich profitierten vor allem sie von den Mengenrabatten. Auf die DB Regio kommen schätzungsweise Mehrkosten in zweistelligem Millionenbereich zu, auf die DB Cargo im einstelligen Millionenbereich. In den nächsten fünf Jahren wolle die DB Netz den Umsatz mit Nicht-Töchtern von derzeit 200 Millionen Mark auf 400 Millionen Mark verdoppeln, so Haase. „Bei den DB-Töchtern gehen wir von einer Stagnation des Umsatzes aus.“

Das Kartellamt begrüßte das neue Trassenpreissystem. Damit werde „ein wesentliches Hindernis für den Wettbewerb auf der Schiene beseitigt“, sagte Kartellamtschef Ulf Böge. Der Verkehrsclub Deutschland hingegen kritisierte, es würde „durch die Abschaffung der Mengenrabatte jeder Anreiz für zusätzliche Züge und eine damit bessere Netzauslastung beseitigt“.

Nur ein paar Kilometer von der Bahnzentrale entfernt traf sich gestern erstmals die Task-Force, die Bodewig einberufen hat. Auch Mehdorn ist mit von der Partie, obwohl er prinzipiell gegen die Trennung von Netz und Transport ist. In der Task-Force werden Experten die unterschiedlichen Modelle eines vom Betrieb unabhängigen Netzes diskutieren. Denkbar ist laut Bodewig eine unabhängige Gesellschaft unter dem Dach der Deutschen Bahn AG, die als Aktiengesellschaft im Besitz des Bundes bleiben würde, oder eine entsprechende AG, herausgelöst aus dem Gesamtkonzern. Zudem will Bodewig die Trassenvergabe einer unabhängigen Regulierungsbehörde unterstellen – eine EU-Forderung, die bis 2007 ohnehin erfüllt werden muss. Auch bei der Finanzierung der Trassen denkt der Minister bereits weiter: Er will eine Gesellschaft zur Finanzierung von Infrastruktur einrichten. Diese sollte sämtliche Einnahmen aus der Schienen- und mit Einführung der Lkw-Maut auch aus der Autobahnnutzung verwalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen