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Experten fordern TÜV für Mediziner

Sachverständigenrat kritisiert Missstände im Gesundheitswesen, fordert regelmäßige Qualitätskontrollen und einen „veränderten Diskurs“ mit der Politik. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hat den Vorwürfen nur wenig entgegenzusetzen

von ANNA HOLZSCHEITER

Ein bekanntes Prozedere: Experten, in diesem Fall der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, erstellen zentimeterdicke Gutachten. Die werden dann feierlich Politikern, hier Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, in die Hände gelegt. Und was bleibt? Ein Stoß Papier, dessen Inhalt in der politischen Praxis nur am Rande Beachtung findet. Diese Vorgangsweise deutete sich auch gestern an, als Sachverständigenrat und Gesundheitsministerin zu den ersten zwei Bänden des Gutachtens für die Jahre 2000 /2001 Stellung nahmen. Hauptkritikpunkt des Rates: „Das deutsche Gesundheitswesen hat zu wenig Zielorientierung, Patientenorientierung und Qualitätsorientierung.“

Ministerin Schmidt konnte den Vorwürfen der Sachverständigen nur wenig entgegensetzen: „Die beiden Bände des Gutachtens zeigen, dass mit der Gesundheitsreform 2000 die richtigen Weichen gestellt wurden. Es werden dort aber auch Schwachstellen aufgezeigt: die Mängel in der Struktur und der derzeitigen Mittelverwertung.“ An Beispielen für eine bessere Verwertung der Mittel mangelt es den Gutachtern nicht: Um seltene Muskelkrankheiten besser zu behandeln, sollte die Fachkompetenz in so genannten Muskel-Zentren gebündelt werden. Denn: Das Strukturproblem könnte durch einen gezielteren Einsatz der vorhandenen Gelder behoben werden. „Eine Beitragssteigerung für die Patienten wäre nicht erforderlich.“

Dass die Arbeitsweise zwischen Wissenschaft und Politik in puncto Gesundheitswesen der Nachbesserung bedarf, zeigte sich auch in der Frage der verpflichtenden Fort- und Weiterbildung von praktizierenden Ärzten. Der Sachverständigenrat plädiert in seinem Gutachten dafür, „die kontinuierliche professionelle Entwicklung zu fördern“. Um der Veraltung des medizinischen Wissens vorzubeugen, sieht das Gutachten auch die Möglichkeit vor, in einer Art „Ärzte-TÜV“ regelmäßig den Wissensstand des Arztes zu überprüfen. Fallen die Ärzte durch mangelhaftes Wissen auf, soll ihnen, nach angelsächsischem „Prinzip“ unter Umständen die Zulassung entzogen werden können. Gesundheitsministerin Schmidt äußerte sich dazu nur sehr allgemein: „Für mich ist in diesem Zusammenhang zu überlegen, wie auf Dauer die Qualität der Aus- und Weiterbildung geregelt werden kann.“

Die Verständigungsschwierigkeiten zwischen dem Sachverständigenrat und der Ministerin machten deutlich, warum der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Friedrich Schwartz, forderte: „Wir brauchen einen veränderten Diskurs.“ Dabei solle die Kostendämpfungsdebatte, die 25 Jahre das deutsche Gesundheitswesen dominiert habe, hinter einer vestärkten Orientierung an inhaltlichen Gesundsheitszielen zurücktreten. Als Beispiele für notwendige Veränderungen nannte Schwartz: mehr Transparenz für die Patienten, obligatorische Qualitätsberichte für medizinische Einrichtungen, bessere Betreuung für chronisch Kranke. Bis sich die Empfehlungen allerdings in handfesten Reformprojekten niederschlagen, kann viel Zeit vergehen. Schwartz weiß aus der Vergangenheit: „Es wurden schon eine ganze Reihe der Empfehlungen des Rates von den Politikern aufgenommen – mit einer Verzögerung von ein bis zehn Jahren.“

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