Kommentar: Ab durch die Mitte
■ Warum der Koalitionskrach im Bezirk Mitte ein Beweis für die Chaostheorie ist
Die Koalition geht solange zur Urne, bis sie bricht. Eine Phalanx der Unzufriedenen und Unterdrückten hat die Große Koalition im Bezirk Mitte platzen lassen. Nicht dass es um diesen Pakt konservativer Hardliner in SPD und CDU schade wäre, zufällig indes ist dieses Resultat dennoch: Ein Beweis für die Richtigkeit der Chaostheorie auch im politischen Raum.
Die Union hat, das allein ist gesicherte Erkenntnis, den Kandidaten des großen Partners nicht durchfallen lassen. Eine Aufkündigung der Koalition, wenn sie denn beabsichtigt ist, wird gemeinhin offensiv vertreten. Ein halbes Jahr vor der Neuwahl hätte, wer wollte, zumindest einen Vorwand dafür finden können. Zum Beispiel diesen, den sonst so vehement verdammten Personalfilz der Sozis nicht mittragen zu wollen. Eine derartige Distanzierung der Union jedoch gibt es nicht.
Es sind individuelle Trotzreaktionen und Rachegelüste, die zum Ende von Rot-Schwarz führten. PolitikerInnen beider Fraktionen, die bei den parteiinternen Listenaufstellungen für die Septemberwahl durchfielen, haben den Gehorsam gegenüber Kreis- und Fraktionsspitzen aufgekündigt. Die pflegten gerade in Mitte, dem Bezirk der Betonköpfe, ihre Leute mit harter Hand zu führen.
Allen voran Bausenator Eugen Wagner, der Fürst der Dunkelheit auf dem rechten Flügel der SPD. Sein Führungsstil nach Gutsherrenart hat diesmal versagt. Jahrzehntelang lief im Bezirk nichts ohne oder gar gegen ihn; jetzt muss er erfahren, dass auch seine Macht endlich ist.
Sven-Michael Veit
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