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Die Freiheit nehm' ich mir

Bezirksamtsleiter-Wahl in Mitte: CDU-SPD-Deal scheitert an unbotmäßigen Abgeordneten. Motive sind unklar  ■ Von Gernot Knödler und Sven-Michael Veit

Dass ihr Kandidat für den Bezirksamtsleiterposten in Mitte durchgefallen ist, hat sich die SPD zumindest teilweise selbst zuzuschreiben. Mindestens vier Sozialdemokraten verweigerten ihrem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Markus Schreiber die Stimme. Bei weiteren fünf AbweichlerInnen ist unklar, ob es sich um Sozial- oder Christdemokraten handelt. Zwei hatten sich enthalten. Ihre Motive bieten ein weites Feld für Spekulationen.

Gestern schoben sich die Fraktionen gegenseitig die Schuld zu. SPD-Fraktionschef Jan-Hinrich Fock vermutet, „dass Teile der CDU mit uns ein Spiel spielen wollen“. Mehr als die Hälfte der Unions-Fraktion habe sich nicht an die Absprache gehalten. „Aus diesem Grunde blieb mir auch nichts anderes übrig, als die Koalition zu beenden“, sagt Fock.

Sein CDU-Kollege Hartwig Kühlhorn zeigt sich überrascht, sowohl vom Durchfallen Schreibers als auch von der Kündigung der Koalition. Focks Schuldzuweisung will er nicht hinnnehmen: „Den Misthaufen bei uns vor der Tür abzuladen“, sagt er, „das geht nicht.“ Mehrfach habe er die CDU-Fraktion befragt. Auch nach der Wahl hätten ihm die Abgeordneten versichert, für Schreiber gestimmt zu haben.

Schreiber selbst kann sich das Desaster „nur mit innerparteilichen Ränkespielen bei der CDU erklären“, denn die SPD-AbweichlerInnen hätten von vornherein festgestanden. Für eine Wahl in der nächsten Legislaturperiode, wie von der SPD geplant, stehe er wieder zur Verfügung. Allerdings will die GAL „alles daran setzen, dass in der nächsten Bezirksversammlung eine Wahl stattfindet“. Dem Abgeordneten Claudius Lieven zufolge würde sie dabei gerne Rüdiger Elwart aufstellen, der Verwaltungsleiter des Bezirksamtes.

Auch Hamburgs SPD-Chef Olaf Scholz und CDU-Bürgermeisterkandidat Ole von Beust weisen die Schuld der jeweils anderen Seite zu. Scholz gab sich überzeugt, die SPD im Bezirk werde durch den Koalitionskrach „keine Schaden nehmen“. Beust sieht keine Auswirkungen auf die Landespolitik: „Ich strebe eh keine Große Koalition in Hamburg an.“

Die Gründe für das undisziplinierte Abstimmungsverhalten dürften zum Teil darin liegen, dass Abgeordnete beider Fraktionen für die anstehenden Wahlen nicht wieder nominiert wurden. Drei der SPD-AbweichlerInnen kommen aus dem Ortsverein Billstedt-Horn, wo Elwart einige Jahre Ortsamtsleiter war. In beiden Parteien gebe es überdies Gründe, an den Kreisvorsitzenden zu rütteln. Der Kandidaten-Kür für die September-Wahl fielen etliche Abgeordnete zum Opfer. Ihr Hang zum Parteigehorsam scheint darunter beträchtlich gelitten zu haben.

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