Ministerwechsel in Rekordzeit

Argentinien: Domingo Cavallo wird neuer Wirtschaftsminister, während die Pläne des alten noch für Streiks sorgen

BUENOS AIRES taz ■ In Argentinien geht es chaotisch zu. Seit Dienstag blockieren in vielen Städten Schüler, Studenten, Lehrer und Professoren die Straßen, um gegen den Kahlschlag im Bildungsbereich zu protestieren. In Buenos Aires werden Seminare auf den wichtigsten Avenidas abgehalten, was zu großem Verkehrschaos führt. Gestern traten auch noch die Mitglieder der zweit- und drittwichtigsten Gewerkschaft in den Streik, darunter die Busfahrer. Sie legten das öffentliche Leben noch weiter lahm.

Das Chaos herrscht auch im Regierungspalast Casa Rosada. Die Tinte auf den Papieren eines radikalen Sparpakets war kaum getrocknet, als der neue Wirtschaftsminister Ricardo López Murphy in der Nacht zum Dienstag schon wieder abtrat. Er amtierte ganze 20 Tage. Darauf schwor Präsident Fernando de la Rúa zum zweiten Mal in diesem Monat neue Minister ein, unter denen keine Mitglieder des Mitte-links-Bündnisses Frepaso mehr vertreten sind.

De la Rúa hat umgesattelt. Sein neuer Verbündeter ist der ehemalige Wirtschaftsminister Domingo Cavallo. Noch am Montag war ihm das protokollarische Amt des Kabinettschefs zugedacht gewesen. Jetzt ist er wieder Wirtschaftsminister. Unter de la Rúas Vorgänger Carlos Menem koppelte Cavallo den argentinischen Peso an den US-Dollar und beendete die Hyperinflation. Doch seine marktradikale Wirtschaftspolitik bescherte dem Land eine Rekordarbeitslosigkeit und verdoppelte die Staatsverschuldung in nur neun Jahren.

Jetzt durfte Cavallo sogar Mitglieder seiner rechtslastigen Minipartei mit in die Regierung einbringen, sehr zum Ärger der Frepaso und des linken Flügels von de la Rúas Radikaler Bürgerunion. Die beiden wollen aber nicht mit dem Präsidenten brechen, der noch am Sonntag eine „Regierung der nationalen Einheit“ angekündigt hatte.

De la Rúas Regierung wurde brüchig, als am Freitag Cavallos Vorgänger López Murphy ein radikales Sparprogramm ankündigte. Es sah unter anderem die Entlassung von 40.000 Staatsangestellten und empfindliche Kürzungen des Bildungsetats vor. Darauf verließen Minister aus Protest die Regierung. Cavallo versprach jetzt, die „soziale Schuld“ der Regierung einzulösen. Wie er das machen will, sagte er noch nicht. Die Staatskassen sind leer, die Regierung ist zum Sparen gezwungen, da sie permanent am Rande der Zahlungsunfähigkeit herumtappt.

INGO MALCHER

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