piwik no script img

Schutzwall gegen Marktöffnung

Anlässlich des heutigen Weltwassertages macht eine breite Front gegen die Liberalisierungspläne von Wirtschaftsminister Werner Müller mobil. Der will am Dienstag ein Gutachten zur Öffnung des deutschen Wassermarktes diskutieren lassen

von NICK REIMER

Selten war der Tag des Wassers so politisch wie heute: Am kommenden Dienstag wird im Bundeswirtschaftsministerium ein Gutachten zur Liberalisierung des deutschen Wassermarktes diskutiert. „Die Ergebnisse werden entscheidend für die Zukunft unserer Trinkwasserversorgung sein“, glaubt Michael Bender von der Grünen Liga. Eine stärkere Marktöffnung, so das Gutachten, soll die Anbieter zwingen, Rationalisierungspotenziale, Größen- und Verbundvorteile zu nutzen. Die Kostenvorteile sollen „in Form von niedrigeren Preisen an den Verbraucher weitergegeben werden“, heißt es im Gutachten – und das ist deckungsgleich mit den Zielen von Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos).

Städte- und Gemeindebund, Wasserunternehmen, Gewerkschaften, Umweltschützer, der Bundesverband der Deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) – nie war die Sturmfront gegen Plände des Wirtschaftsministeriums so breit wie in diesem Fall. Ver.di-Spezialist Mathias Ladstätter wirft Müller vor, an die Wasserwirtschaft genauso heranzugehen wie an den Telekom- oder Strombereich. „Das geht nicht, weil Wasser kein handelbares, sondern ein ererbtes Gut ist.“ Mit der gleichen Begründung sieht übrigens die ansonsten sehr auf Liberalisierung bedachte EU-Kommission derzeit keinen akuten Handlungsbedarf.

Michaela Schmitz vom BGW warnt: „Der Blick über die Ländergrenzen zeigt, dass dort, wo Regulierer walten, die Qualität verwässert wird.“ Der Städte- und Gemeindebund verweist auf Großbritannien und Frankreich. Nach der Öffnung stieg der Trinkwasserpreis auf der Insel um 40 Prozent, in Frankreich sind private Versorger rund 30 Prozent teurer als die wenigen verbliebenen öffentlichen.

Bislang sichert der Paragraf 103 im Gesetz über Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die kommunale Wasserversorgung. Versorgungsgebiete sind Gebietsmonopole. Neben dem regionalen Wasserwerk darf kein anderes Unternehmen agieren. Gegen diese kartellrechtliche Ausnahme laufen Großunternehmen seit langem Sturm. Sie versprechen sich durch die Aufhebung zusätzliche Geschäfte.

Unbestritten ist der hohe Investitionsbedarf in der Wasserbranche, den Experten mit etwa 60 Milliarden Mark beziffern. Die kleinteilige Struktur der Wasserwirtschaft werde diese Summe nicht aufbringen können, argumentieren Liberalisierungsbefürworter. Von derzeit 6.600 Wasserversorgern dürften nach einer Marktöffnung nur einige hundert Große übrig bleiben.

Nikolaus Geiler, Wasserexperte des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), widerspricht: „Ein großer Investor steigt ab einer Rendite von 15 Prozent ein. Den Kommunalkredit gibt es schon ab fünf Prozent.“ Zudem lägen die Hauptinvestitionskosten der Wasserwirtschaft nicht im Trink-, sondern im Abwasserbereich.

Gutachten: www.bmwi.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen