: Einsatzleiter will Konflikte von vornherein ausschließen
Streitschlichter sollen in Dreierteams mit Polizei und BGS deeskalierend auf Demonstranten einwirken. BI Lüchow-Dannenberg fürchtet trotzdem „Chaos mit schlimmen Folgen“
HANNOVER taz ■ Allein um den Castor durch Niedersachsen und das Wendland zu begleiten, werden Anfang nächster Woche erneut 15.000 Polizisten und Grenzschutzbeamte aufgeboten. Polizeidirektor Hans Reime, der den Großeinsatz vor Lüneburg aus leitet, scheint auf den ersten Blick ein auf Deeskalation bedachter Beamter. Im Wendland selbst hat er hunderte von blauen Plakaten kleben lassen, die unter der Parole „Protest ja – Gewalt nein!“ den gewaltfreien Widerstand gegen den Transport durchaus legitim erscheinen lassen. In mobilen Dreierteams sollen ein Pressesprecher von Polizei und BGS mit einem als Streitschlichter geschulten Beamten zusammenarbeiten.
Diese Schlichter tragen allerdings Buttons mit der zweideutigen Parole: „Wir können auch anders!“ Auch bei Polizeidirektor Reime selbst, der zum ersten Mal den Castor-Einsatz leitet, kann man durchaus Besorgnis erregende Töne zu vernehmen. So will der neue Einsatzleiter nach eigenen Bekunden die gesamte Transportstrecke auch von friedlichen Sitzblockaden möglichst freihalten. Solche Blockaden seien zwar noch keine Gewalt, aber sie seien rechtswidrig, wenn der Transport dadurch behindert werde, sagt Reime.
Bei der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg fürchtet man allen Konfliktvermeidungsparolen zum Trotz insgeheim einen sehr harten Polizeieinsatz. Nach Gesprächen, die die Hamburger Rechtsanwältin Ulrike Donat für die BI mit hochrangigen Polizisten und den zuständigen Ordnungsbehörden geführt hat, schließt inzwischen auch die Fraktionschefin der Grünen im niedersächsichen Landtag, Rebecca Harms, nicht aus, dass die Versammlungsfreiheit bei diesem Transport gänzlich unter den Castor geraten könnte.
Harms sieht Anzeichen dafür, dass es neben dem offiziellen Demonstrationsverbot, das Versammlungen auf einem Streifen von 50 Metern beidseits der Castor-Strecke unterbinden will, ein zweites internes Verbot gibt, das einen Korridor von fünf Kilometern beidseits der Strecke zwischen Lüneburg und Dannenberg betreffen könnte. Jedenfalls erhielt die Anwältin der BI die Auskunft, dass die Polizei innerhalb dieses Korridors keine Menschenansammlungen dulden wolle. Zu dieser Auskunft passt, dass von den geplanten Camps an der Bahnstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg bislang nur eines erlaubt worden ist.
Nach Angaben des Sprechers der Bürgerinitiative, Ehmke, wurden zwei Camps verboten, wogegen indes Klagen anhängig sind. Ins Bild passen auch die Gefängniscontainer, die ins Wendland geschafft worden sind, und der Widerstand, der sich innerhalb der Polizei gegen das Wegtragen von Sitzblockierern regt. Die Polizeigewerkschaften bezeichneten das Wegtragen als „erniedrigend“ und verlangten, von Blockaden abzusehen. BI-Sprecher Ehmke fürchtet ein „Chaos mit schlimmen Szenen“, falls die Polizei versuchen sollte, den Protest von vornherein zu unterbinden.
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