Nahrhafte Fakten

Die Zusammensetzung der Konsumausgaben in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten stark geändert. Seit 1960 ist der Anteil für Nahrungsmittel um über vierzig Prozent gesunken. In den Sechzigerjahren gab ein Vier-Personen-Arbeitnehmer-Haushalt mit mittlerem Einkommen – das waren damals 583 Mark – etwa 38 Prozent (= 221,54 Mark) für Nahrungsmittel aus. 1980 – das Einkommen betrug im Schnitt 2.443 Mark – waren es nur noch 26 Prozent (= 635,18 Mark), voriges Jahr – Monatseinkommen: 3.800 Mark – nur noch zwanzig Prozent (= 760 Mark). Aus diesen Zahlen geht hervor, dass das verfügbare Haushaltseinkommen andauernd gestiegen ist, und zwar um mehr als fünfhundert Prozent. Gleichzeitig wird aber prozentual weniger Geld für Nahrungsmittel ausgegeben. Mit anderen Worten: Die Nahrungsmittel wurden immer billiger.

Die deutsche Landwirtschaft befindet sich in einem vielschichtigen Strukturwandel, nach Angaben des Statistischen Bundesamts nimmt die Zahl der Betriebe kontinuierlich ab. In Deutschland gab es im Jahr 2000 rund 458.000 landwirtschaftliche Betriebe. Das waren rund dreißig Prozent weniger als 1991. Gleichzeitig vergrößerten sich die Betriebe: Im Jahr 2000 lag die durchschnittliche Betriebsgröße bei 37,2 Hektar, 1991 waren es noch 26,1 Hektar, 1949 gar nur 8,5 Hektar.

Obwohl die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland zurückgegangen ist, wuchs deren Produktivität: Nach Angaben des Deutschen Bauernverbands versorgte, statistisch gesehen, im Jahr 1950 ein Bauer zehn Menschen, heute werden 133 satt. Bis in die Sechzigerjahre hinein konnte die heimische Landwirtschaft die Bevölkerung nicht ausreichend ernähren. Es herrschte Mangel an nahezu allen Produkten, der durch Importe ausgeglichen werden musste. Dieser Anstieg der Produktivität führte bekanntermaßen zu Überschüssen innerhalb Europas. Erinnert sei hier nur an den „Butterberg“, den „Weinsee“ und den „Milchsee“, auch „Milchschwemme“ genannt.

Der Produktivitätssteigerung liegen technischer Fortschritt (Traktor, Erntemaschine etcetera), Züchtungen, veränderte Düngeverfahren und Pflanzenschutzmaßnahmen zugrunde. Im Hinblick auf die Fleischproduktion etwa ermöglicht aber erst der Zukauf von Futtermitteln aus Entwicklungsländern eine derartige Steigerung des Fleischverzehrs auf nunmehr jährlich 63,5 Kilogramm pro Kopf in Deutschland. 1950 waren es erst 23,3 Kilogramm. Es darf dabei jedoch nicht vergessen werden, dass das Zukaufen von Futtermitteln insbesondere verheerende Folgen für die Umwelt mit sich bringt: Immer mehr Regenwald wird vernichtet, um neue Felder zur Futtermittelproduktion bestellen zu können.

Mit dem Anstieg der Produktivität ist der Abbau von Überschüssen landwirtschaftlicher Produkte zu einem der zentralen Themen der europäischen Agrarpolitik geworden. Die Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik sind definiert als Produktivitätssteigerung, angemessene Lebenshaltung der landwirtschaftlich tätigen Bevölkerung, Stabilisierung der Märkte, Sicherstellung der Versorgung, für den Verbraucher angemessene Preise und der Umweltschutz (siehe Artikel 33 Absatz 1 und Artikel 174 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, EGV, vom März 1957, zuletzt geändert im Februar 2001 durch den Vertrag von Nizza). Diese zum Teil sich widersprechenden Zielsetzungen machen deutlich, dass weniger der offene Wettbewerb, als vielmehr die hoheitliche Intervention den Landwirtschaftssektor und damit die diesbezügliche Politik bestimmen.

ABIGAIL WEBER